Moussierender Wein (Sekt)
Die Mainzer Sekt-Pioniere
Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden überall in den deutschen Weinbaugebieten Kellereien, die mittels Flaschen-Nachgärung „moussierenden Wein“ oder „Champagner“ produzierten. Der Begriff Sekt war vor Gründung des Deutschen Reichs für das neue Getränk noch nicht üblich. [Anm. 1] Das Verfahren wurde in Frankreich erfunden und dort über mindestens zwei Jahrhunderte verfeinert – ab Ende des 18. Jahrhunderts auch maßgeblich durch eine Reihe eingewanderter deutscher Unternehmer. [Anm. 2] Aus einem trüben Süßgetränk entwickelte sich zunehmend ein klarer und trockener Schaumwein.
Als erster deutscher Sektkellereiinhaber gilt der Heilbronner Georg Christian von Kessler 1826. [Anm. 3] Nur wenig später begann mit Christian Ludwig Lauteren (1833), Adalbert Kupferberg (1850) und Adam Henkell (1856) eine Gründungswelle in und um Mainz - die rheinhessische Weinhandelsstadt entwickelte sich zu einem Zentrum der deutschen Sektproduktion. Es handelte sich um Weinhändler und Kellereibesitzer, die nun auch moussierenden Wein produzierten und nicht um ausschließliche Sektproduzenten.
Pioniere des Sektkonsums
Bereits einige Jahrzehnte vor der Gründung von Sektkellereien wurde in einzelnen deutschen Städten zu besonderen Anlässen eigener Schaumwein hergestellt. So beispielsweise 1783 im Kurfürstentum Trier oder 1790 auf dem Kostümfest des Mainzer Kurfürsten Friedrich Karl Joseph Freiherr von Erthal. [Anm. 4] .
Für das Mainzer Stadtbild besonders prägend war sicher die bereits von außen imposante Kelleranlage am Kästrich. Die dort niedergelassene und für die heutige Kupferbergterrasse namensgebende Sektmanufaktur wurde von Christian Adalbert Kupferberg im Jahr 1850 in Laubenheim gegründet. Fünf Jahre später zog sie an besagten Standort. [Anm. 5] Die Firma feierte einen enormen wirtschaftlichen Erfolg und vermarktet ihre äußerst erfolgreiche und oft prämierte Marke „Kupferberg Gold“ bis heute. [Anm. 6] Zu Beginn der Firmengeschichte war hierbei insbesondere der Sektexport nach England äußerst profitabel. [Anm. 7] Durch persönliche Freundschaften und Kontakte – aber auch mithilfe eines überzeugenden Produkts – schaffte es die Familie Kupferberg in der Folgezeit, zum Lieferanten zahlreicher königlicher und fürstlicher Häuser zu werden. [Anm. 8]
Der Ort, der Firmensitz und Anwesen beherbergte, war bereits damals äußerst geschichtsträchtig. Der Name Kästrich verweist auf ein hier angesiedeltes römisches Legionslager (lat. castrum), zu dem auch die ältesten Keller gehörten. Im Mittelalter war das Gebiet nur teilweise bewohnt und ansonsten mit Gärten und Weinbergen bestückt. [Anm. 9] In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Gelände zum städtischen Baugebiet erklärt. Um diese Zeit, am 18. November 1857, also kurz nach der Umsiedlung der Sektkellerei und des Wohnsitzes auf den Kästrich, geschah ein großes Unglück: Das Pulvermagazin im alten Martinsturm explodierte, tötete oder verletzte mehr als 150 Menschen und zerstörte 57 Wohnhäuser. [Anm. 10] Dennoch hielt die Familie Kupferberg am neuen Standort fest und baute die bereits vorgefundenen römischen Keller noch deutlich weiter aus. Nach mehreren Erweiterungen erstreckten sich die Sektkeller um das Jahr 1900 weit in den Berg hinein. Zwischen den Straßen Mathilden-Terrasse (heutige Kupferbergterrasse) und Am Kästrich, bis hinunter zur Walpodenstraße finden sich seitdem mehr als 60 Keller auf bis zu sieben Etagen verteilt. [Anm. 11] Heute präsentiert eine kulturgeschichtliche Sammlung in der Anlage die zwei Jahrtausende alte Weintradition und Geschichte des Ortes. [Anm. 12]
Weitere Informationen
Urheberschaft
Autor: Simeon Guthier
Stand: 25.10.2022
Literatur
- [o.A.]: Kupferberg Gold. Mainz 1900.
- Arntz, Helmut: von Sektmarken, Champagnefamilien und der Trinkkultur. Wiesbaden 1995 (Schriften zur Weingeschichte 114).
- Burkardt, Barbara: Kupferberg Gold und Henkell Trocken. In: Jour-fixe-Büchlein. Kulturtreffe der Freunde Gutenbergs. Mainz 2014, S. 63-65.
- Burkardt, Barbara: Von der "Erziehung" zum Sekt - Werbemittel und Printwerbungen für moussierenden Wein zwischen 1840 und 1914. In: Jour-fixe-Büchlein. Kulturtreffe der Freunde Gutenbergs. Mainz 2014, S. 185-188.
- C. A. Kupferberg & Cie. KGaA (Hrsg.): Kupferberg. Sekt und Kultur. Neustadt 1986.
- Custodis, Paul-Georg: vom Backen, Brauen, Keltern und Gerben. Zeugnisse der Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln sowie Bekleidung in Rheinland-Pfalz, Mainz 2017.
- Dohm, Horst: Die Weinstadt Mainz. Geschichte – Kultur – Wirtschaft. Die Weinstuben. Mainz 1985.
- Hermann, Heinz Freiherr Schilling von Canstatt: die Kupferberg-Sektfibel, Mainz 1986.
- Johnson, Hugh: The Story of Wine, London 2020.
- Kaufhold, Barbara: Deutsche Sektreklame von 1879-1918. Ihre Entwicklung unter wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und künstlerischen Aspekten. URL: www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/BFYG2NJPJVIT7QTY6LGKUABCYUODI76P (Zugriff: 25.10.2022)
- Kupferberg, Christian Adalbert, Treue, Wilhelm: Christian Adalbert Kupferberg. 1824-1876. [Mainz] 1975.
- Schumann, Fritz: Der Weinbaufachmann Johann Philipp Bronner (1792 - 1864) und seine Zeit. Wiesbaden 1979 (Schriften zur Weingeschichte, Bd. 50).
- Weiss, Günther: Kessler, Georg Christian von (1787-1842). In: Persönlichkeiten der Weinkultur. URL: www.geschichte-des-weines.de/persoenlichkeiten-der-weinkultur/persoenlichkeiten-von-a-z/316-kessler-georg-christian-von-1787-1842.html (Zugriff: 14.07.2022).