Ensemble einer Küferwerkstatt mit verschiedenen Werkzeugen in einem Ausstellungsraum des Deutschen Weinbaumuseums in Oppenheim, das sich diesem Handwerk widmet.
Ensemble einer Küferwerkstatt mit verschiedenen Werkzeugen in einem Ausstellungsraum des Deutschen Weinbaumuseums in Oppenheim, das sich diesem Handwerk widmet.  Bild: Deutsches Weinbaumuseum, Foto: Sophia Sonja Guthier

Arbeit und Beruf

Das Winzerhandwerk

Das Winzerhandwerk wurde über Jahrtausende immer weiter verfeinert. Um hochwertige Weine zu erzeugen, arbeiten Winzerinnen und Winzer rund ums Jahr im Weinberg: Rebschnitt, Bindearbeiten, mitunter Mähen, Mulchen, Jäten, Nachpflanzungen, Ausbrechen der Jungtriebe, Pflanzenschutzmaßnahmen, Düngen, Laubarbeiten, aufmerksame Kontrolle und regelmäßige Begutachtung des Wachstums und letztlich die Lese, die Einmaischung, das Keltern und die Einkellerung. Die gesamte Infrastruktur im Weinberg, nämlich Pfahl- oder Drahtanlagen, Unterstände, Abdeckungen, Zäune, Mauern sowie mancherorts Drainagen oder Bewässerungssysteme müssen genauso instandgehalten werden wie das ausdifferenzierte bewegliche Arbeitsgerät. Im Keller ruht während dieser ganzen Zeit keineswegs die Arbeit: Fässer und sonstige Gebinde müssen stets spundvoll gehalten werden, um den Sauerstoffkontakt zu minimieren, Weine müssen von der Hefe gezogen werden, auch immer wieder aus verschiedenen Gründen umgefüllt und letzlich auf Flaschen abgefüllt werden. Die sorgfältige Reinigung von Fässern, Flaschen und Arbeitsgerät war früher ein ausgesprochen zeitintensiver Prozess. [Anm. 1] Ergänzt wird diese noch lange nicht umfassende Aufzählung um betriebswirtschaftliche Tätigkeiten und Marketing: Personalverwaltung, Buchführung, Kundenakquise, Etikettieren usw.

Ausgewählte Holzschnitte aus dem Jahr 1493, entnommen aus „Ruralia commoda“. Bild: Ruralia commoda 1493 (CC0), http://tudigit.ulb.tu-darmstadt.de/show/inc-iv-184/0120
Ausgewählte Holzschnitte aus dem Jahr 1493, entnommen aus „Ruralia commoda“. Bild: Ruralia commoda 1493 (CC0), http://tudigit.ulb.tu-darmstadt.de/show/inc-iv-184/0120
Ausgewählte Holzschnitte aus dem Jahr 1493, entnommen aus „Ruralia commoda“. Bild: Ruralia commoda 1493 (CC0), http://tudigit.ulb.tu-darmstadt.de/show/inc-iv-184/0120
Ausgewählte Holzschnitte aus dem Jahr 1493, entnommen aus „Ruralia commoda“. Bild: Ruralia commoda 1493 (CC0), http://tudigit.ulb.tu-darmstadt.de/show/inc-iv-184/0120
Ausgewählte Holzschnitte aus dem Jahr 1493, entnommen aus „Ruralia commoda“. Bild: Ruralia commoda 1493 (CC0), http://tudigit.ulb.tu-darmstadt.de/show/inc-iv-184/0120

Der Einzug technischer Neuerungen beeinflusste die Arbeitswerkzeuge und -methoden immer wieder. [Anm. 2] Die Entdeckung von Reinzuchthefen im 19. Jahrhundert und deren Verbreitung im 20. Jahrhundert veränderte die Kellerarbeit. [Anm. 3] Im Laufe der Jahrhunderte wandelte sich zudem die Gewichtung der verschiedenen Arbeitsschritte und in Teilen auch die zugrundeliegende Philosophie – letzteres gilt besonders für Pflanzenschutzmaßnahmen, Bodenbearbeitung und den Ausbau der Weine im Keller.  Während die verschiedenen Arbeitsschritte heute in Abhängigkeit von aufmerksamen Kontrollen und regelmäßiger Begutachtung getroffen werden, hielt man sich früher überwiegend an die Termine des Heiligenkalenders. Die exakten Arbeitsabläufe waren je nach Ort unterschiedlich und standen oft in einer generationenübergreifenden Tradition. So bemerkte Johann Philipp Bronner, der 1834 die Arbeitsmethoden in ganz Rheinhessen detailliert dokumentierte, beispielsweise über Bechtheim, dass nur dort die Trauben mit den Fingern und ohne Messer gelesen wurden. [Anm. 4] In Bronners Arbeit finden sich zu nahezu jedem Ort größere und kleinere Besonderheiten. Beispielsweise wurde im gesamten Raum um Heppenheim an der Wiese (Worms) besonders gewissenhaft „aufgegrübelt“ (Bodenbearbeitung mit der Raumhacke), dann wenig später nochmals der Boden gehackt und im August geschabt (Unkraut mit einem Schabe-Werkzeug entfernt). [Anm. 5] Insbesondere das 19. Jahrhundert war dabei geprägt von experimentierfreudigen Weinbautreibenden. In Nierstein soll es durch mehrere große Gutsbesitzer bereits im Jahr 1828 Entlaubungsversuche gegeben haben, um den Beeren zur besseren Reife zu helfen – zwar führte der Versuch zu bitterer Enttäuschung, aber darf dennoch als Pioniertätigkeit gewürdigt werden. Erst 1877 wurde das Thema, in Unkenntnis dieser rheinhessischen Versuche, auf dem Weinbau-Kongress zu Freiburg wieder als neuartige Innovation diskutiert. [Anm. 6]

Historische Berufe

Neben den Winzerinnen und Winzern, die Weinbau häufig im Nebenerwerb ausübten, existierten vor allem im Mittelalter und der Frühen Neuzeit eine Vielzahl an Berufsgruppen, welche indirekt am Weinbau und Weinhandel beteiligt waren. In Mainz waren dies Visierer (Kontrolleure), Rentmeister (Finanzbeamte), Weinsticher (Transporteure/Makler), Schröter (Transporteure), Karcher (Fuhrleute), Küfer (Fassmacher) und weitere städtische Hilfskräfte, die über den korrekten Ablauf des Geschäfts mit dem Wein wachten. [Anm. 7] Hinzu kamen verschiedene Gruppen von Weinhändlern, Tagelöhner, Personal der Hafen- und Krananlagen, Pförtner, Träger, Schiffer, Steuerleute und viele weitere. Mainz bildete keine Ausnahme: Auch in Worms werden für das 15. Jahrhundert insgesamt 137 Bürger genannt, die einem Beruf im Weinsektor nachgehen. [Anm. 8] Die städtischen Beamten waren dabei üblicherweise vor allem für die Einhaltung der Weingesetzgebung, den reibungslosen Ablauf von Verkehr und Handel und für die korrekte Erfassung der auf Wein zu zahlenden Steuern verantwortlich. Dies gilt insbesondere für das sogenannte „Ungeld“ oder „Ohmgeld“, eine lukrative Schankgebühr, und alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Bestimmungen, wie das Eichen von Fässern, Schanklizenzen, amtlicher Fassanstich in Gasthäusern oder auch der abendliche Zapfenstreich.

Zu den bekanntesten Berufen aus den oben aufgelisteten gehören heute noch die Schröter, deren Hauptaufgabe im Weintransport lag. Ein in Mainz gefundenes römisches Monument aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr., vermutlich die Grabzierde eines Weinhändlers, zeigt die Berufsgruppe bereits mit der typischen Schröterleiter. Diese Leiter war zentrales Werkzeug und wurde gemeinsam mit Schrotbaum und Seilwinden genutzt, um Weinfässer aus dem Keller zu befördern. [Anm. 9] Die Schröter waren häufig in Zünften organisiert und alle Abläufe ihres Handwerks unterlagen strengen Auflagen. [Anm. 10] Überhaupt waren die meisten Berufe, die mit Weinbau und Weinhandel in Verbindung standen, innerhalb der kommunalen Rechtsordnung von Stadt oder Gemeinde institutionell organisiert: namentlich Zunft, Gilde oder Bruderschaft. [Anm. 11] Viele Schröter übten zusätzlich noch weitere Berufe aus und waren auch Küfer oder Visierer, wobei sich auch ihr offizieller Zuständigkeitsbereich ohnehin je nach Ort unterschied. [Anm. 12]
 

Urheberschaft

Autor: Simeon Guthier
Stand: 25.10.2022

Literatur

  • Bassermann-Jordan, Friedrich von: Geschichte des Weinbaus. Landau 1991.
  • Bronner, Johann Philipp: Der Weinbau in der Provinz Rheinhessen, im Nahetal und Moseltal. In: Der Weinbau in Süddeutschland. Hrsg. v. Johann Philipp Bronner. Heidelberg 1834.
  • Hägermann, Dieter/Schneider, Helmut: Landbau und Handwerk. 750 v. Chr. bis 1000 n. Chr, 1997 (Propyläen Technikgeschichte, Bd. 1).
  • Hamatschek, Jochen: Technologie des Weines. Stuttgart 2015.
  • Koch, Hans-Jörg: Rheinhessisches Weinlexikon. [Mainz] 1995.
  • Krämer, Christine: Rebsorten in Württemberg. Herkunft Einführung Verbreitung und die Qualität der Weine vom Spätmittelalter bis ins 19. Jahrhundert, 2006 (Tübinger Bausteine zur Landesgeschichte, Bd. 7).
  • Mathy, Helmut: Kurmainzer Weinbau und Weinhandelspolitik vom 17. bis 19. Jahrhundert. In: Weinbau, Weinhandel und Weinkultur. 6. Alzeyer Kolloquium. Hrsg. v. Alois Gerlich. Stuttgart 1993 (Geschichtliche Landeskunde, Bd. 40), S. 188–222.
  • Ossendorf, Karlheinz: Schröter-Weinlader-Weinrufer. Erinnerungen an ausgestorbene Weinhandelsberufe. Wiesbaden 1982 (Schriften zur Weingeschichte, Bd. 62).
  • Schlamp, Jacob: Die Weinjahre des 19. Jahrhunderts. Nebst einem Anhange "Nierstein und das Weinbuch von W. Hamm". Wiesbaden 1879.
  • Schumann, Fritz: Der Weinbaufachmann Johann Philipp Bronner (1792 - 1864) und seine Zeit. Wiesbaden 1979 (Schriften zur Weingeschichte, Bd. 50).
  • Staab, Franz: Agrarwissenschaft u. Grundherrschaft. Zum Weinbau d. Klöster im Frühmittelalter. Stuttgart 1993. URN: urn:nbn:de:0291-rzd-007662-20202312-6.
  • Wunderer, Regina: Weinbau und Weinbereitung im Mittelalter. Unter besonderer Berücksichtigung der mittelhochdeutschen Pelz- und Weinbücher. Bern 2001 (Wiener Arbeiten zur germanischen Altertumskunde und Philologie, Bd. 37).
  • Würdig, Gottfried/Woller, Richard/Breitbach, Kurt: Chemie des Weines. Stuttgart 1989 (Handbuch der Lebensmitteltechnologie).
     

Anmerkungen:

  1.   Ausgesprochen unterhaltsam beschriebene Einblicke in diese alltäglichen Arbeitsabläufe in Rheinhessen des 20. Jahrhunderts finden sich bei Koch, Hans-Jörg: Rheinhessisches Weinlexikon. [Mainz] 1995. Insbesondere die Begriffe „Faßschlubber“, „Spundloch“ bzw. „Spundekäs“, „Lagerung von Wein“ sowie die Seiten von „Keller-Gastfreundschaft“ bis „Kelter“ seien empfohlen. Zurück
  2. Wie viel Tradition und Konstanz dennoch im Winzerhandwerk liegt, lässt sich bei einer zumindest in der Grobstruktur sehr ähnlichen Darstellung der Arbeitsschritte schon für das Frühmittelalter erahnen; vgl. hierzu Hägermann, Dieter/Schneider, Helmut, 1997, S. 403; Staab, Franz, 1993, Tabellarischer Vergleich. Zurück
  3. Bis zu diesem Zeitpunkt war man auf Spontangärung oder Zugabe von Gärwein angewiesen – ein langer Prozess, der sich mitunter bis ins folgende Jahr zog, oft weniger Alkohol (dafür anders schmeckende höhere Alkohole) erzeugte und fehleranfälliger war; vgl. hierzu Krämer, Christine, 2006, S. 109–110; Würdig, Gottfried/Woller, Richard/Breitbach, Kurt, 1989, S. 220–221; Bassermann-Jordan, Friedrich von, 1991, S. 442–444; Wunderer, Regina, 2001, S. 126. Auch die Maischegärung ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts; vgl. hierzu Krämer, Christine, 2006, S. 209. Erst in den 1960er Jahren setzten sich Reinzuchthefen in Deutschland vollends durch. Teilweise erlebt die risikoreiche Spontangärung, wegen des andersartigen Geschmackprofils, bei einzelnen Betrieben in den letzten Jahren eine Renaissance; vgl. hierzu Hamatschek, Jochen, 2015, S. 235–239. Zurück
  4. Bronner, Johann Philipp 1834, S. 54; Schumann, Fritz, 1979, S. 14–16. Zurück
  5. Bronner, Johann Philipp 1834, S. 15. Die mit der Bodenbearbeitung einhergehende Düngung variierte in Rheinhessen ebenfalls je nach Ort von einmal jährlich bis einmal alle drei Jahre – abhängig von der Ortsgewohnheit in unterschiedlichen Tiefen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten (zudem unter Berücksichtigung des Alters der Rebanlage). Zurück
  6.   Man überlegte damals, ob es sinnvoll sei, kurz vor der Lese die Weinstöcke zu entlauben, damit die Beeren mehr Sonneneinstrahlung und damit Zucker erhielten. In den Niersteiner Experimenten mehrere Jahrzehnte zuvor verbrannten die Beeren allerdings nur und trockneten ein. Sogar im nächsten Jahr haben die Rebstöcke noch mit den Schäden kämpfen müssen und die Weingutsbesitzer „diesen in‘s Blaue calculirten Versuch theuer bezahlen müssen.“; vgl. Schlamp, Jacob 1879, S. 25–30. Heute zählen verschiedene Entblätterungsmaßnahmen zu den Standardmaßnahmen, von denen vielerorts Gebrauch gemacht wird. Zurück
  7. Ossendorf, Karlheinz, 1982, S. 21; Mathy, Helmut 1993, Ausschank und „Zapf“. Zurück
  8. Ossendorf, Karlheinz, 1982, S. 23–24. Zurück
  9. Schroten war ein komplizierter Prozess: Die fragilen Weinfässer mussten im Keller ausgiebig besichtigt und eine symbolische Risikoübernahme vollzogen. Danach musste jedes Fass noch im Keller aufwendig aufgerichtet und durch zusätzliche Ringe transportfähig gemacht werden, bevor es überhaupt losging. Die Schrotleitern wurden eingefettet, der Schrotbaum in einen Grienkopf gesteckt (ein Widerlager über dem Kellereingang, häufig in Form einer Fratze ausgeschmückt) und über eine Seilwinde das Fass nach oben gezogen. Wenn ein Seil riss oder sonst ein Unglück geschah, mussten die Schröter für den Schaden aufkommen. Es war daher nur verständlich – und rechtlich festgelegt –, dass sie den Wein ausgiebig probieren mussten, um im Schadensfall dessen Qualität bestätigen zu können; vgl. hierzu Ossendorf, Karlheinz, 1982, S. 9–11 und 14. Zurück
  10. Mitunter war das Schröterdasein keine freie Berufswahl. In Städten aus benachbarten Regionen, beispielsweise in Remagen oder Ahrweiler, wurde zeitweilen jeder Bürger verpflichte zwei Jahre Schröterdienst zu leisten, da die dringend notwendige Tätigkeit dort nur schlecht entlohnt wurde. Für Orte in Rheinhessen sind derzeitige Verpflichtungen nicht überliefert; vgl. hierzu Ossendorf, Karlheinz, 1982, S. 40. Zurück
  11. Ossendorf, Karlheinz, 1982, S. 28–29. Zurück
  12. Ossendorf, Karlheinz, 1982, S. 6 und 15. Zurück

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