Arbeit und Beruf
Das Winzerhandwerk
Das Winzerhandwerk wurde über Jahrtausende immer weiter verfeinert. Um hochwertige Weine zu erzeugen, arbeiten Winzerinnen und Winzer rund ums Jahr im Weinberg: Rebschnitt, Bindearbeiten, mitunter Mähen, Mulchen, Jäten, Nachpflanzungen, Ausbrechen der Jungtriebe, Pflanzenschutzmaßnahmen, Düngen, Laubarbeiten, aufmerksame Kontrolle und regelmäßige Begutachtung des Wachstums und letztlich die Lese, die Einmaischung, das Keltern und die Einkellerung. Die gesamte Infrastruktur im Weinberg, nämlich Pfahl- oder Drahtanlagen, Unterstände, Abdeckungen, Zäune, Mauern sowie mancherorts Drainagen oder Bewässerungssysteme müssen genauso instandgehalten werden wie das ausdifferenzierte bewegliche Arbeitsgerät. Im Keller ruht während dieser ganzen Zeit keineswegs die Arbeit: Fässer und sonstige Gebinde müssen stets spundvoll gehalten werden, um den Sauerstoffkontakt zu minimieren, Weine müssen von der Hefe gezogen werden, auch immer wieder aus verschiedenen Gründen umgefüllt und letzlich auf Flaschen abgefüllt werden. Die sorgfältige Reinigung von Fässern, Flaschen und Arbeitsgerät war früher ein ausgesprochen zeitintensiver Prozess. [Anm. 1] Ergänzt wird diese noch lange nicht umfassende Aufzählung um betriebswirtschaftliche Tätigkeiten und Marketing: Personalverwaltung, Buchführung, Kundenakquise, Etikettieren usw.
Der Einzug technischer Neuerungen beeinflusste die Arbeitswerkzeuge und -methoden immer wieder. [Anm. 2] Die Entdeckung von Reinzuchthefen im 19. Jahrhundert und deren Verbreitung im 20. Jahrhundert veränderte die Kellerarbeit. [Anm. 3] Im Laufe der Jahrhunderte wandelte sich zudem die Gewichtung der verschiedenen Arbeitsschritte und in Teilen auch die zugrundeliegende Philosophie – letzteres gilt besonders für Pflanzenschutzmaßnahmen, Bodenbearbeitung und den Ausbau der Weine im Keller. Während die verschiedenen Arbeitsschritte heute in Abhängigkeit von aufmerksamen Kontrollen und regelmäßiger Begutachtung getroffen werden, hielt man sich früher überwiegend an die Termine des Heiligenkalenders. Die exakten Arbeitsabläufe waren je nach Ort unterschiedlich und standen oft in einer generationenübergreifenden Tradition. So bemerkte Johann Philipp Bronner, der 1834 die Arbeitsmethoden in ganz Rheinhessen detailliert dokumentierte, beispielsweise über Bechtheim, dass nur dort die Trauben mit den Fingern und ohne Messer gelesen wurden. [Anm. 4] In Bronners Arbeit finden sich zu nahezu jedem Ort größere und kleinere Besonderheiten. Beispielsweise wurde im gesamten Raum um Heppenheim an der Wiese (Worms) besonders gewissenhaft „aufgegrübelt“ (Bodenbearbeitung mit der Raumhacke), dann wenig später nochmals der Boden gehackt und im August geschabt (Unkraut mit einem Schabe-Werkzeug entfernt). [Anm. 5] Insbesondere das 19. Jahrhundert war dabei geprägt von experimentierfreudigen Weinbautreibenden. In Nierstein soll es durch mehrere große Gutsbesitzer bereits im Jahr 1828 Entlaubungsversuche gegeben haben, um den Beeren zur besseren Reife zu helfen – zwar führte der Versuch zu bitterer Enttäuschung, aber darf dennoch als Pioniertätigkeit gewürdigt werden. Erst 1877 wurde das Thema, in Unkenntnis dieser rheinhessischen Versuche, auf dem Weinbau-Kongress zu Freiburg wieder als neuartige Innovation diskutiert. [Anm. 6]
Historische Berufe
Neben den Winzerinnen und Winzern, die Weinbau häufig im Nebenerwerb ausübten, existierten vor allem im Mittelalter und der Frühen Neuzeit eine Vielzahl an Berufsgruppen, welche indirekt am Weinbau und Weinhandel beteiligt waren. In Mainz waren dies Visierer (Kontrolleure), Rentmeister (Finanzbeamte), Weinsticher (Transporteure/Makler), Schröter (Transporteure), Karcher (Fuhrleute), Küfer (Fassmacher) und weitere städtische Hilfskräfte, die über den korrekten Ablauf des Geschäfts mit dem Wein wachten. [Anm. 7] Hinzu kamen verschiedene Gruppen von Weinhändlern, Tagelöhner, Personal der Hafen- und Krananlagen, Pförtner, Träger, Schiffer, Steuerleute und viele weitere. Mainz bildete keine Ausnahme: Auch in Worms werden für das 15. Jahrhundert insgesamt 137 Bürger genannt, die einem Beruf im Weinsektor nachgehen. [Anm. 8] Die städtischen Beamten waren dabei üblicherweise vor allem für die Einhaltung der Weingesetzgebung, den reibungslosen Ablauf von Verkehr und Handel und für die korrekte Erfassung der auf Wein zu zahlenden Steuern verantwortlich. Dies gilt insbesondere für das sogenannte „Ungeld“ oder „Ohmgeld“, eine lukrative Schankgebühr, und alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Bestimmungen, wie das Eichen von Fässern, Schanklizenzen, amtlicher Fassanstich in Gasthäusern oder auch der abendliche Zapfenstreich.
Zu den bekanntesten Berufen aus den oben aufgelisteten gehören heute noch die Schröter, deren Hauptaufgabe im Weintransport lag. Ein in Mainz gefundenes römisches Monument aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr., vermutlich die Grabzierde eines Weinhändlers, zeigt die Berufsgruppe bereits mit der typischen Schröterleiter. Diese Leiter war zentrales Werkzeug und wurde gemeinsam mit Schrotbaum und Seilwinden genutzt, um Weinfässer aus dem Keller zu befördern. [Anm. 9] Die Schröter waren häufig in Zünften organisiert und alle Abläufe ihres Handwerks unterlagen strengen Auflagen. [Anm. 10] Überhaupt waren die meisten Berufe, die mit Weinbau und Weinhandel in Verbindung standen, innerhalb der kommunalen Rechtsordnung von Stadt oder Gemeinde institutionell organisiert: namentlich Zunft, Gilde oder Bruderschaft. [Anm. 11] Viele Schröter übten zusätzlich noch weitere Berufe aus und waren auch Küfer oder Visierer, wobei sich auch ihr offizieller Zuständigkeitsbereich ohnehin je nach Ort unterschied. [Anm. 12]
Weitere Informationen
Urheberschaft
Autor: Simeon Guthier
Stand: 25.10.2022
Literatur
- Bassermann-Jordan, Friedrich von: Geschichte des Weinbaus. Landau 1991.
- Bronner, Johann Philipp: Der Weinbau in der Provinz Rheinhessen, im Nahetal und Moseltal. In: Der Weinbau in Süddeutschland. Hrsg. v. Johann Philipp Bronner. Heidelberg 1834.
- Hägermann, Dieter/Schneider, Helmut: Landbau und Handwerk. 750 v. Chr. bis 1000 n. Chr, 1997 (Propyläen Technikgeschichte, Bd. 1).
- Hamatschek, Jochen: Technologie des Weines. Stuttgart 2015.
- Koch, Hans-Jörg: Rheinhessisches Weinlexikon. [Mainz] 1995.
- Krämer, Christine: Rebsorten in Württemberg. Herkunft Einführung Verbreitung und die Qualität der Weine vom Spätmittelalter bis ins 19. Jahrhundert, 2006 (Tübinger Bausteine zur Landesgeschichte, Bd. 7).
- Mathy, Helmut: Kurmainzer Weinbau und Weinhandelspolitik vom 17. bis 19. Jahrhundert. In: Weinbau, Weinhandel und Weinkultur. 6. Alzeyer Kolloquium. Hrsg. v. Alois Gerlich. Stuttgart 1993 (Geschichtliche Landeskunde, Bd. 40), S. 188–222.
- Ossendorf, Karlheinz: Schröter-Weinlader-Weinrufer. Erinnerungen an ausgestorbene Weinhandelsberufe. Wiesbaden 1982 (Schriften zur Weingeschichte, Bd. 62).
- Schlamp, Jacob: Die Weinjahre des 19. Jahrhunderts. Nebst einem Anhange "Nierstein und das Weinbuch von W. Hamm". Wiesbaden 1879.
- Schumann, Fritz: Der Weinbaufachmann Johann Philipp Bronner (1792 - 1864) und seine Zeit. Wiesbaden 1979 (Schriften zur Weingeschichte, Bd. 50).
- Staab, Franz: Agrarwissenschaft u. Grundherrschaft. Zum Weinbau d. Klöster im Frühmittelalter. Stuttgart 1993. URN: urn:nbn:de:0291-rzd-007662-20202312-6.
- Wunderer, Regina: Weinbau und Weinbereitung im Mittelalter. Unter besonderer Berücksichtigung der mittelhochdeutschen Pelz- und Weinbücher. Bern 2001 (Wiener Arbeiten zur germanischen Altertumskunde und Philologie, Bd. 37).
- Würdig, Gottfried/Woller, Richard/Breitbach, Kurt: Chemie des Weines. Stuttgart 1989 (Handbuch der Lebensmitteltechnologie).