Eine Frau kontrolliert die Weinfässer im Keller.
Eine Frau kontrolliert die Weinfässer im Keller. Bild: Anneka / shutterstock.com

Frauen in der Weinbranche

Gibt oder gab es eine Arbeitsteilung abhängig vom Geschlecht?

Über Frauen im Weinberg schweigt die ältere historische Forschung bis auf wenige Ausnahmen. Dieses fehlende Interesse mag auf den ersten Blick vielleicht damit zusammenhängen, dass Frauen in der Branche eine deutliche Minderheit darstellen, trotz jüngst steigender Tendenz. [Anm. 1] Es ist anzunehmen, dass dies auch früher so war – jedoch fehlen vielerorts entsprechende Quellen. In der Literatur wurden Frauen im Zusammenhang mit Weinbau bis weit in die Mitte des 20. Jahrhundert meist ebenfalls nicht ausdrücklich erwähnt. Ältere Autoren, die sich dem Thema dezidiert annahmen, widmeten sich überwiegend der Betrachtung überholter Vorurteile in Bezug auf angebliche weibliche Unreinheit sowie detaillierten Beschreibungen von als exzessiv bewerteter Trunksucht. [Anm. 2] Die historische Dokumentation einer geschlechtsspezifischen Rollenverteilung bei der eigentlichen Arbeit fehlt weitgehend. [Anm. 3]

Frauen bei der Arbeit im Herbst 1936, Nierstein (Burgweg). Bild: Sammlung Otto Schätzel
Frauen bei der Arbeit im Herbst 1936, Nierstein (Burgweg). Bild: Sammlung Otto Schätzel
Frauen bei der Arbeit im Herbst 1936, Nierstein. Bild: Sammlung Otto Schätzel
Frauen bei der Arbeit im Herbst 1936, Nierstein. Bild: Sammlung Otto Schätzel
Herbst 1936. Die Weinlese als großes gemeinschaftliches Erlebnis. Bild: Sammlung Otto Schätzel

Am häufigsten werden Frauen bei der Arbeit in Quellen und älterer Literatur als Erntehelferinnen genannt, zunächst als außerbetriebliche Tagelöhnerinnen, später auch explizit im Kontext von Familie, Nachbarschaft sowie als Freunde und Bekannte. Handelte es sich nicht um einen Freundschaftsdienst, so war der Lohn für Frauen früher üblicherweise halbiert und auch die Naturalvergütung fiel deutlich geringer aus als die der männlichen Kollegen. [Anm. 4] Noch um 1900 sah man in derartigen Unterscheidungen keine unlautere Praktik. So nannte beispielsweise eine Dissertation aus der Zeit die „Vergnügungssucht und Bequemlichkeit der Frauen und [ihre] Unlust an der Arbeit“, weil die kritisierten Rheingauer Frauen lieber nach Mainz abwanderten, statt für geringeren Lohn im Weinberg zu helfen. [Anm. 5] Mit dem Alter stieg das Ansehen der Leserinnen: Noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts kannte man an „alten und großen Weingütern“ eine „alte Garde“ an alten und besonders klugen Frauen, die man zur Beerenauslese heranzog. [Anm. 6]

Das 19. und 20. Jahrhundert

Einen Einblick in gutsituierte Verhältnisse, hier im Zeitraum um die 1840er Jahre, gestattet die vom Niersteiner Schullehrer, Weingutsbesitzer und Weinhändler Jacob Schlamp verfasste Familiengeschichte. Darin hebt er die Verdienste seiner Ehefrau Anna Maria (geb. Jung) besonders hervor: Diese habe neben Haushalt, Kindererziehung und dem Nähen von Kleidung, solange es ihr körperlich möglich war, nach Leibeskräften in den Weinbergen beim „Biegen, Heften und im Herbst Lesen pp.“ gearbeitet. Er betont außerdem stets die besondere Klugheit und Tatkraft seiner Ehefrau – im Gegensatz zur Frau des Nachbarn –, und dass sie auch an allen Weingeschäften, im Handel sowie an der Kellerwirtschaft beteiligt war:

„Den Wein wußte sie so genau nach Geschmack und Geruch zu beurtheilen, als der geübteste Mann von Fach. Als sie noch im Keller zuweilen mit thätig war, erkannte sie nach der ersten Probe schon, aus welchem Faß und No. dieser Wein genommen war. Daher mußte sie auch bei allen Hauptproben, Versendungen pp. den Ausschlag geben. In der öffentlichen Meinung hat sich darum, und das auch mit Recht, das Urtheil gebildet, daß die Frau Schlamp die Seele des Geschäftes sei und daß J. Schlamp und Nachkommen ihr ihren Wohlstand zu verdanken hätten. Ich kann dies nur von ganzem Herzen bestätigen.“ [Anm. 7]

Ehefrauen und Töchter waren an landwirtschaftlichen Familienbetrieben, die bis in die 1960er und 1970er Jahre in Rheinhessen vorherrschend waren, maßgeblich in allen Bereichen beteiligt. Während die landwirtschaftliche Arbeit im Außenbereich traditionell zu den Aufgaben der Männer gehörte, kam Frauen bei der Ernte und im Weinbau auch bei Stock- und Pflegearbeiten häufig die Hauptlast zu. [Anm. 8] Die Ehefrau darf dabei keinesfalls als bloße Helferin verstanden werden, schließlich war sie im rheinhessischen Erbrecht häufig selbst Grundbesitzerin und brachte eigene Weinberge mit in die Ehe. [Anm. 9] Noch in den 1990er Jahren erinnerte man sich an ländliches Besitzdenken als relevantes Kriterium für potenzielle Schwiegertöchter. [Anm. 10]  

Tendenziell wurden schwere körperliche Arbeiten – beispielsweise das Tragen der Leel, Hacken, Arbeiten mit dem Pferd oder mit schweren Werkzeugen, wie dem Räumkarst – im Familienbetrieb von männlichen Familienmitgliedern ausgeführt, eine klare Trennung der Arbeitsteilung lässt sich jedoch nicht ausmachen. Die Aufgaben waren primär entlang sozialer Schichten und nicht zwingend nach Geschlecht aufgeteilt. Eine Umfrage unter Winzerinnen aus Uelversheim und Nackenheim aus dem Jahr 1991 hielt fest: Rebschnitt, das Biegen und Anbinden der jungen Ruten, Laubarbeiten (Ausbrechen, Heften und Gipfeln) waren Tätigkeitsbereiche der Frauen. Bei der Ernte waren die befragten Frauen im Familienbetrieb zusätzlich für die Verpflegung der übrigen Erntehelferinnen und -helfer sowie für das Säubern der Arbeitsgeräte verantwortlich. Die damals Befragten hoben die gemeinsame Identifikation mit dem Betrieb und dem Grundbesitz als besonders positiv hervor. Dies gilt als Erklärung, weshalb die vielfältigen Tätigkeiten im Weinberg, das Abfüllen, Etikettieren, Buchführung, Kundenbetreuung, Weinproben und der Weinverkauf neben der alleinigen Zuständigkeit für den Haushalt ausgeübt wurden. Wo Ernte-, Dünge-, Spritz- oder Schnittarbeiten von Maschinen übernommen wurden, fielen die Tätigkeiten wieder den Männern zu. Parallel führte die Globalisierung mit stärkerem Einsatz von Saisonarbeiterinnen und -arbeitern zu einer Verlagerung der betrieblichen Frauenarbeit von der Handarbeit stärker auf innerbetriebliche Tätigkeiten. [Anm. 11]

Gemeinsam mit der Professionalisierung der gesamten Branche verbesserte sich die Ausbildung der Winzerinnen und anderer im Weinbau involvierter Frauen. Während sich in den 1960er Jahren noch kaum eine Frau zur Winzerin ausbilden ließ, kommt dies seit den 1990er und 2000er Jahren bis heute immer häufiger vor. [Anm. 12] Eine bundesweite Umfrage von Vinissima e. V., einem Berufs-Netzwerk für Frauen in der Weinbranche, ergab, dass heute 50 Prozent der Befragten eine weinbaulich orientierte Ausbildung haben. Dabei war der Anteil fachfremder Berufsausbildungen bei den über 50-Jährigen am höchsten. [Anm. 13] Frauen haben im Familienbetrieb heute etwa zu gleichen Teilen Leitungspositionen inne wie männliche Familienmitglieder. Sie sind dabei überwiegend im Bereich der Verwaltung und Vermarktung tätig, selten im Bereich der Produktion. [Anm. 14] 70 Prozent aller Befragten bestätigten aber, eine Verschiebung ihrer Tätigkeitsfelder: Etwa die Hälfte gab an, sich früher unmittelbar mit dem Weinbau beschäftigt zu haben, während das heute nur noch auf 21 Prozent zutrifft. Als Gründe für diese berufliche Veränderung wurden der Anstieg des Vermarktungs- und Verwaltungsaufwands, ein mittlerweile stattgefundener Generationenwechsel mit neuem Aufgabenspektrum oder die eigene Familiengründung genannt. [Anm. 15] Auch die Besitzstrukturen haben sich geändert. Es gibt in Rheinhessen mittlerweile keinen Mangel mehr an Beispielen für erfolgreiche von Frauen geführte Betriebe.

Weitere Informationen

Urheberschaft

Autor: Simeon Guthier
Stand: 25.10.2022

Literatur

  • Bab, Bettina: Leserinnen und Winzerinnen. Frauenarbeit im Weinbau. In: "Romantik, Reisen, Realitäten. Frauenleben am Rhein". [erscheint zur Ausstellung "Romantik, Reisen, Realitäten. Frauenleben am Rhein", vom 1. September bis 31. Dezember 2002 im FrauenMuseum Bonn]. Bonn 2002 (Rheinreise 2002), S. 106–109.
  • Bassermann-Jordan, Friedrich von: Die Frauen und der Wein. Sonderabdruck aus der Zeitschrift „Das Weinland“. Wien, 1935.
  • Bassermann-Jordan, Friedrich von: Goethe und der Wein. Sonderdruck aus Heft 15/16 1949 der Fachzeitschrift Das Weinblatt., 1949.
  • Bassermann-Jordan: Geschichte des Weinbaus. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Frankfurt 1923.
  • Friess-Reimann, Hildegard: Frauenarbeit im Weinbau. In: Frauenforschung. Hrsg. v. H. L. Cox. Bonn 1991/92 (Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde, Bd. 29), S. 179–188.
  • Lorch, Jasmin/Antony, Kathrin/Göbel, Robert: Die Rolle der Frau im Familienweingut unter Berücksichtigung der Führungsverantwortung und ihrer Tätigkeitsfelder. In: Deutsches Weinbau-Jahrbuch, Bd. 72 (2021), S. 113–120.
  • Schlamp, Jacob: Familiengeschichte Schlamp. Lebensbeschreibung von Jacob Schlamp. Nierstein 2. Aufl., 1886 (2011).
     

Anmerkungen:

  1.   Ein Indiz hierfür bilden Absolventenzahlen von Ausbildung und Studiengängen. Laut einer Studie 2021 veröffentlichten Studie rangiert der Frauenanteil in Ausbildungen und an der betrachteten Hochschule Geisenheim für die relevanten Studiengänge zwischen 24 und 27 Prozent (eine Steigerung gegenüber den 1990er Jahren). Einzig im Studiengang „Internationale Weinwirtschaft“ ist die Verteilung mit 49 Prozent Absolventinnen heute bereits ebenbürtig; vgl. hierzu Lorch, Jasmin/Antony, Kathrin/Göbel, Robert, S. 113. Zurück
  2. Dies gilt auch für namhafte Autoren wie Friedrich von Bassermann-Jordan, der sich den Frauen 1935 in einem eigenen, zur damaligen Zeit sicher humorvollen, Aufsatz widmete; vgl. hierzu Bassermann-Jordan, Friedrich von, 1935, S. 1-3. Wie fest verwurzelt mittelalterliche Vorurteile, beispielsweise ein etwaiger Zusammenhang zwischen schlechtem Wein und Menstruation, noch lange Zeit waren, veranschaulicht ein Zitat des renommierten Arztes Friedrich Hoffmann (1660-1742), der trotz seiner aufklärerischen Haltung glaubte, „daß dem Weine nicht gut sey, wenn man einer Weibs Person die jetzo ihre monatliche Zeit hat, etwas dabei zu thun giebet.“; zitiert nach Bab, Bettina 2002, S. 106. Zurück
  3.   Besonderer Dank sei an dieser Stelle Herrn Dr. Wolfgang Bickel aus Armsheim ausgesprochen, der den Autor zu diesem Thema umfangreich aus eigenen Erfahrungen und Nachforschungen beraten konnte. Zurück
  4. Bab, Bettina 2002, S. 107; Die Lohndifferenz verringerte sich im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts mit regionalen Unterschieden, Frauen erhielten jedoch weiterhin stets deutlich geringeren Lohn; vgl. hierzu Bassermann-Jordan 1932, S. 835-841. Zurück
  5. Zitat Emanuel Kayser aus dem Jahr 1906, zitiert nach Bab, Bettina 2002, S. 108. Zurück
  6. Bassermann-Jordan, Friedrich von, 1949, S. 5. Zurück
  7. Schlamp, Jacob, 1886 (2011), S. 83–84. Jacob Schlamp ist darüber hinaus bemerkenswert, da er Frauen auch sprachlich insgesamt in seine Arbeit „Die Weinjahre des 19. Jahrhunderts“ einbezieht und regelmäßig von „Winzer und Winzerinnen“ oder „Arbeiter und Arbeiterinnen“ spricht – für eine Publikation aus dieser Zeit außergewöhnlich. Es ist ein weiterer Beleg dafür, dass die sonst weitgehend fehlende Nennung (oder generische Einbeziehung) von Frauen ein Überlieferungsproblem ist und nicht die ländliche Realität des 19. Jahrhunderts widerspiegelt. Zurück
  8. Friess-Reimann, Hildegard 1991/92, S. 181. Zurück
  9. Auch der zuvor zitierte Jacob Schlamp aus Nierstein hatte den Grundstock an Vermögen für seine zahlreichen Weinberg- und Weinhandel-Investitionen seiner Frau zu verdanken (Schullehrer waren damals ärmlich bezahlt). Sicher war dies auch ein wichtiger Grund, weshalb er seine Frau zeitlebens nach abgeschlossenen Geschäftsverhandlungen stets um das finale Jawort bat; vgl. hierzu Schlamp, Jacob, 1886 (2011), S. 74–77. Zurück
  10. Friess-Reimann, Hildegard 1991/92, S. 184. Zurück
  11. Friess-Reimann, Hildegard 1991/92, S. 181–184; Bab, Bettina 2002, S. 109. Zurück
  12. Friess-Reimann, Hildegard 1991/92, S. 180; Bab, Bettina 2002, S. 109. Besonders hervorgehoben wurde hierbei bereits 2002 der Anteil der Frauen in der Kellerwirtschaft – ein Eindruck, der sich mit der im Folgenden angeführten Umfrage von 2021 deckt; vgl. hierzu Lorch, Jasmin/Antony, Kathrin/Göbel, Robert, S. 117–118. Zurück
  13. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass diese Gruppe eine größere Zahl eingeheiratete Schwiegertöchter enthielt. 80% der Töchter haben eine weinbauliche Berufsausbildung abgeschlossen, 80% der Schwiegertöchter eine fachfremde; vgl. hierzu Lorch, Jasmin/Antony, Kathrin/Göbel, Robert, S. 115. Zurück
  14. Es handelt sich aufgrund der Auswahl der Befragten nicht um eine repräsentative Umfrage. 71 Prozent der Leitungspositionen weiblicher Familienmitglieder sind im Bereich der Verwaltung, 60 Prozent in der Vermarktung, nur 16 Prozent im Bereich der Produktion angesiedelt. Der Effekt ist nur in sehr geringem Maße an mangelnder weinbauspezifischer Ausbildung zu erklären; vgl. hierzu Lorch, Jasmin/Antony, Kathrin/Göbel, Robert, S. 117–118. Falls junge Kinder existierten, so war deren Betreuung, zusätzlich zu mindestens 40 Wochenarbeitsstunden, ganz überwiegend auch Aufgabe der Frauen; vgl. hierzu Lorch, Jasmin/Antony, Kathrin/Göbel, Robert, S. 118–119. Zurück
  15. Lorch, Jasmin/Antony, Kathrin/Göbel, Robert, S. 116–117. Zurück

Fehler: Fußnote konnte nicht geladen werden.