Der „Trullo“ von Flonheim. Die Häuschen dienten früher als Schutzhütten. Heute werden hier Weinfeste gefeiert.
Der „Trullo“ von Flonheim. Die Häuschen dienten früher als Schutzhütten. Heute werden hier Weinfeste gefeiert. Bild: Rheinhessen-Touristik GmbH

Wingertshäuschen

Legenden und Geschichten von italienischen Wanderarbeitern und Marienschwestern

Die Weinberg- oder Wingerthäuschen, manchmal auch wegen etwaiger Ähnlichkeit zu italienischen Vorbildern „Trulli“ genannt, sind prägend für das Bild der rheinhessischen Weinkulturlandschaft. Es handelt sich um Unterstände für Mensch und Werkzeug im Weinberg. Um die kleinen Häuschen ranken sich – nicht zuletzt wegen interessanter Bauformen – zahlreiche Legenden.

Wingertshäuschen in Selzen. Bild: Stefan Bremler
Wingertshäuschen in Selzen. Bild: Stefan Bremler
Wingertshäuschen in Selzen. Bild: Stefan Bremler
Wingertshäuschen in Dexheim. Bild: Stefan Bremler
Wingertshäuschen in Westhofen. Bild: Michael F. Jung
Wingertshäuschen in Westhofen. Bild: Michael F. Jung
Wingertshäuschen in Westhofen. Bild: Michael F. Jung
Wingertshäuschen in Westhofen. Bild: Michael F. Jung
Wingertshäuschen in Westhofen. Bild: Michael F. Jung
Wingertshäuschen in Westhofen. Bild: Michael F. Jung
Wingertshäuschen in Westhofen. Bild: Michael F. Jung

Erste Legende

Im 18. Jahrhundert sollen im Flonheimer Steinbruch apulische Wanderarbeiter die Steine gebrochen haben. Natürlich erzählten sie über die besondere Bauweise der Trulli. Der Gastwirt und Weinbergbesitzer Johann, Hannes Zimmermann, besprach sich mit dem Steinbruchbesitzer und sie wurden handelseinig. Also konnten die Wanderarbeiter für den Winzer auf dessen Gelände im Weinberg unweit von Flonheim einen Trullo bauen. Sie krönten ihn auch mit einem Zippus. Im Türsturz steht „17 HZ 56“, was auf das Baujahr hinweisen soll. Heute ist der Trullo renoviert und strahlt weiß in der Sonne. Wegen seiner außergewöhnlichen Form, wurde er als Logo von Rheinhessen auserwählt.

Zweite Legende

Im 18. Jahrhundert sollen lombardische Wanderarbeiter bei den Landwirten und Winzer gearbeitete haben. Bedingt durch die lange Abwesenheit von ihren Familien, bekamen sie natürlich ein großes Heimweh. Aus diesem Grund bauten sie in die Weinberge etwas, was sie an ihre Heimat erinnert, die Trulli. Die Trulli erinnerten sie dann während der Arbeit an ihre Heimat und an ihre Familie. Zu ihnen konnten sie dann auch am Feierarbeit hinwandern, Wein trinken und Geschichten erzählen.

Dritte Legende

Auch hier arbeiteten lombardische Wanderarbeiter im 18. Jahrhundert bei den Landwirten und Winzern. Je länger sie von den Familien weg waren, wurde ihr Heimweh groß und größer. Die Fremde, die fremden Menschen und das nicht gut verstehen der Sprache, tat das seine. Aus lauter Heimweh begannen sie an zu trinken, das steigerte sich so, dass sie nicht mehr in der Lage waren, die Miete zu bezahlen. Das führte dazu, dass sie keine Unterkunft mehr hatten. Aus der heraus, erinnerten sie sich an die kleinen Häuser der Heimat und bauten die Trulli in die Weinberge.

Vierte Legende

Mitte des 18. Jahrhunderts wanderten lombardische Steinmetze durch unser Gebiet zum hohen Dom nach Köln um dort zu arbeiten. Das Reisen war sehr beschwerlich und teuer. In der angrenzenden Pfalz und hier in Rheinhessen fand sie Weinberge vor und erinnerten sich an ihre Heimat und die Trulli, die teilweise auch in den Weinbergen als Schutzhütten standen. Scheinbar gab es hier kaum Schutzhütten. Also boten sie den Landwirten und Winzern an, solche Schutzhütten und zwar in der Trullobauweise zu bauen. Wie wir heute feststellen, nahmen die Winzer an. Sehr geschäftstüchtige Steinmetze aus der Lombardei.

Märchen und Sagen

So also kamen die Trulli nach Rheinhessen. Nein, so kamen sie nicht nach Rheinhessen und auch nicht in die angrenzende Pfalz. Alle vier Geschichten werden gerne und oft erzählt und fanden auch Einzug in Tourismus und Werbung.

Die „Trullobauform“

Hier handelt sich um eine uralte Bauform. In der Regel ein runder Bau. Die starken Wände tragen ein leichtes Dach. In Ermanglung von Holz in unserem Kreis, wurden Bruchsteine und Backsteine verwendet. Keiner konnte eine Statik berechnen. Aus diesem Grund wurde die bekannte Bauform verwendet. Für die Weinberge reichte ein karger, einfacher Bau. Die Form kann bis in die Zeit zurückverfolgt werden, als die Menschen sesshaft wurden und mit Ackerbau und Viehzucht anfingen. Sie ist in Ostanatolien, Syrien, um das Mittelmeer zu finden.

Angesichts der Holzdiebstähle, der Umnutzung und Verwüstung der Weinberge wurde die Schützenordung der Kurpfalz Mitte des 18. Jahrhunderts verschärft. Die Hut musste jetzt ganzjährig und rund um die Uhr stattfinden. Die Weinbergsschützen benötigten dazu feste Unterstände. Das löste eine vermehrtes Erstellen von Schützenhütten in unserem Kreis aus. Die meisten Schutzhütten stehen auf der Gemarkung von Westhofen, davon noch 7 aus dem Jahr 1766. Einige der Bauten haben eine Inschrift, Flonheim 1756, Wendelsheim 1763 und Westhofen, belegt mit Bürgermeister-Rechnungen 1766. s. auch Dr. Bickel, Aufsatz zum Lauckhardtrullo, Pfr. Ebersmann, Gesch. Westhofen, XXXI Sicherheitspolizei Außer der bekannten Kragkuppelbauweise gibt es noch die Form der Kuppel, des Tonnendachs und fast Flachdach.

Neue Perspektiven entdecken (Bildergalerie)

Innenansicht eines Dexheimer Häuschens. Bild: Stefan Bremler
Ungewöhnliche Perspektive. Bild: Stefan Bremler
Ungewöhnliche Perspektive. Bild: Stefan Bremler
Ungewöhnliche Perspektive. Bild: Stefan Bremler

Die Geschichte vom „Missionsheisje“ in Westhofen

Vor einem Wingerthäuschen in Westhofen, am Wegrand stand früher ein Pfahl mit einer befestigten Holzbox, die Blätter mit Lobpreisungstexte enthielt. Ausserdem war der Rückseite eine Tafel mit Psalmen befestigt. Anfang 2006 war die Box und der Pfahl verschwunden.

Warum wurde die Tafel mit den Texten an der Rückwand angebracht und warum stand davor eine Box mit Psalmen? Ein Hinweis führte zum Weingut K. F. Groebe. Der Vater hatte in Biebesheim eine Metzgerei und ein Weingut in Westhofen. Er pflegte einen sehr guten Kontakt zu der evangelischen  Marienschwesternschaft in Darmstadt Eberstadt. Sie sind weltweit tätig und sehen nicht nur die nötige Arbeit, sondern auch, die Schönheit, die Gott geschaffen hat. Aus diesem Grund kamen sie auf die Idee an besonders schönen Stellen in der Welt handgefertigte Lobpreistafeln anzubringen. Die letzte handgefertigte war die von Westhofen. Erst, als sich keine der Mitschwestern mehr auf die Kunst verstand, wurden sie maschinell angefertigt. Alle Tafeln haben unterschiedliche Texte.
 
Bei einem Besuch der Schwestern in Westhofen, zeigte Herr Groebe ihnen die Gemarkung und das „Heisje“. Der Blick von dort ist einmalig, das fanden auch die Schwestern und entschieden sich auch hier eine Lobpreistafel anzubringen. 1983 weihten die Marienschwestern die Tafel mit Liedern und Gebeten. Bis zu seinem Tod füllte Herr Groebe die Box mit den Lobpreisungblättern. Dank der Initiative durch Herrn Groebe besitzt Westhofen mit dieser Geschichte etwas einmaliges, etwas wertvolles.

Urheberschaft

Autor: Michael F. Jung
Redaktionelle Bearbeitung: Simeon Guthier
Stand: 07.11.2022

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