Blick auf Weinberge bei Wöllstein entlang der Hiwweltour Heideblick. Die Landschaft Rheinhessens lädt vielerorts zum Wandern und Radfahren ein.
Blick auf Weinberge bei Wöllstein entlang der Hiwweltour Heideblick. Die Landschaft Rheinhessens lädt vielerorts zum Wandern und Radfahren ein.  Bild: Dominik Ketz (Rheinhessen Touristik GmbH)

Die Weinkulturlandschaft

Kreative Vermarktungsstrategien und Geschmackswandel

Die jüngsten Jahrzehnte, spätestens seit den 1980er Jahren, waren gezeichnet von auffälligen Veränderungen vor allem in Bezug auf Nachfrage, Vermarktungsstrategien und den Weintourismus.
Insbesondere nach Schwierigkeiten der gesamten Branche im Kontext von Weinskandalen besannen sich Winzerinnen und Winzer in Rheinhessen, die bis auf einzelne Ausnahmen mit den rufschädigenden Skandalen nichts zu tun hatten, auf besonders nachhaltiges und auf Qualität ausgerichtetes Wirtschaften. Oft ging die Umstellung einher mit einem Generationenwechsel im Betrieb. Parallel vollzog sich ein Geschmackswandel auf Konsumentenseite: Die Nachfrage nach lieblichen Weinen ging zurück und Rotwein – zuvor fast ein Alleinstellungsmerkmal von Ingelheim und Gundersheim – fand nun vielerorts in Rheinhessen ein Zuhause. Bis 2010 stieg der Anteil von Rotweinen in ganz Rheinland-Pfalz, vor allem aber in der Pfalz und Rheinhessen, fast aus dem Nichts auf ungefähr ein Drittel der Ertragsrebfläche. Vor allem die 1979 zugelassene neue Sorte Dornfelder nahm vorrübergehend eine Vorrangstellung ein. Dieser Trend ist in den letzten Jahren wieder rückläufig. Gleichzeitig wurde auch dem strukturellen Weißweinüberschuss entgegengewirkt. [Anm. 1] Insgesamt vergrößerte sich die bestockte Anbaufläche in Rheinhessen von 1972 bis 2021 um rund 40 Prozent auf insgesamt 27.159 Hektar bestockte Rebfläche, während mit Ausnahme der Pfalz die übrigen rheinland-pfälzischen Anbaugebiete schrumpften. [Anm. 2]

Die Themen Wein und Weinbau spielen in Rheinhessen heute auch im Bereich des Tourismus eine bedeutende Rolle. Die 1961 eingerichtete Gebietsweinwerbung Rheinhessenwein e. V. ist vielfach an den Weinwerbeaktivitäten beteiligt. Weinkonsum wurde infolgedessen immer stärker zum kulturellen Freizeiterlebnis. Es gibt Weingenießer-Menüs, Radeln zwischen Rhein und Reben, Weinerlebnis auf dem Hofgut sowie Wanderrouten wie die „Hiwweltouren“, „RheinWein-Tour“, „Weinwinkelweg“ oder auch „Weinwanderung Höllenbrand“. Der Weinbau trägt wesentlich zur Markenbildung von „Rheinhessen“ im Tourismus bei. Viele rheinhessische Orte und Städte bewerben ihre touristischen Angebote gezielt mit dieser Marke. Es entstehen Namenszusätze wie „Gundersheim – Rotweinparadies im Wonnegau“ oder „Nierstein – Die Riesling City“. Als besonders prominente Vertreterinnen und Vertreter dieses neuen Ansatzes dürfen die Kultur- und Weinbotschafter Rheinhessen gelten. Dabei handelt es sich um mehr als 180 fachkundige, ausgebildete Personen, die es sich auf die Fahne geschrieben haben, die kulturelle Weinvielfalt Rheinhessens in vielfältiger Art und Weise zu vermitteln. [Anm. 3]

Im Juni 2008 wurden Mainz und Rheinhessen als Stellvertreter für ganz Deutschland in die Great Wine Capitals (GWC) aufgenommen, einem Netzwerk der exklusivsten und bekanntesten Weinbaustädte weltweit. Ziel des Netzwerks ist der Austausch von fachspezifischen Erfahrungen sowie die Zusammenarbeit in Tourismus- und Marketingfragen. [Anm. 4]

Kreative Marketing-Ansätze der neueren Winzergeneration und auf die Erfordernisse unserer Zeit zugeschnittene Lösungen spiegeln sich auch deutlich in den Weinetiketten dieser Betriebe wider.

Richtigstellung

In der Printversion dieses Artikels stand bei der ersten Nennung versehentlich, „Guntersblum“ statt richtig Gundersheim. Ich bitte diesen Fehler zu entschuldigen.

Urheberschaft

Autor: Simeon Guthier
Stand: 25.10.2022

Literatur

Anmerkungen:

  1. Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz 2012, S. 142 (T63); Weinwirtschaftsbericht 2010, S. 38 und 43; Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz 2022, S. 5. Das Rodungsprogramm der EU zur Produktionsflächenverringerung, mit dem Ziel die Weinproduktion besser an die Nachfrage anzupassen, (2005-2010) trug auf Landesebene ebenfalls hierzu bei. Von dem finanziellen Anreiz, unrentable und schwer zu bewirtschaftende Flächen zu roden, wurde jedoch vor allem in Gebieten an der Mosel, Nahe und am Mittelrhein Gebrauch gemacht – in Rheinhessen wurden nur wenige Flächen gerodet; vgl. hierzu Weinwirtschaftsbericht 2010, S. 132–133. Zurück
  2. Weinwirtschaftsbericht 2010, S. 61; Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz 2012, S. 143 (T64); für aktuelle Daten zum Jahr 2021 vgl. Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Landwirtschaft: Zeitreihen regional. URL: https://www.statistik.rlp.de/de/wirtschaftsbereiche/landwirtschaft/zeitreihen-regional/tabelle-1/ (Zugriff: 10.10.2022). Zurück
  3. Rheinhessenwein e. V. (Hrsg.): Komm, wir zeigen Dir Rheinhessen! Kultur- und Weinbotschafter Rheinhessen e. V. URL: https://www.rheinhessen.de/kultur-und-weinbotschafter-rheinhessen-ev (Zugriff: 18.08.2022). Zurück
  4. Great Wine Capitals. Global Network. A World of Excellence. URL: https://www.greatwinecapitals.com/about/german/ (Zugriff: 18.08.2022). Zurück

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