Bild: Vlad Ispas / Shutterstock.com

Ein Exportgut

Rheinhessischer Wein in aller Welt

Rheinhessen ist die exportstärkste Weinregion Deutschlands: Etwas mehr als die Hälfte des gesamten deutschen Weinexports wächst hier. [Anm. 1] Die wichtigsten Zielländer für deutschen Wein sind heute die USA, die Niederlande und Großbritannien, außerdem Kanada und die skandinavischen Länder sowie früher Japan und in den letzten Jahren China. Die Hauptabsatzgebiete für Wein aus Rheinhessen liegen in den USA, den Niederlanden und Polen. [Anm. 2] Der heutige globale Handel ist im Vergleich zu historischen, über Generationen gewachsenen Handelsstrukturen sehr schnelllebig. So ist beispielsweise der enorm hohe Anteil des Exportwerts in die USA eine verhältnismäßig junge Neuerung der vergangenen zwei Jahrzehnte. [Anm. 3]

Im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit lohnte sich ein Transport über weite Strecken nur für wertvollere Weine – der weitaus größte Teil wurde lokal konsumiert oder regional gehandelt. Erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts stieg der Export aus Rheinhessen ins nicht-hessische Ausland spürbar an. [Anm. 4] Der heute so vernetzte und wechselhafte interkontinentale Weinhandel begann sich wenig später, ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, langsam zu entwickeln. [Anm. 5] Mainz konnte sich in dieser Phase bis etwa zur Zeit des Ersten Weltkriegs als ein international bedeutsamer Handelsstandort für Wein positionieren.

Die Niederlande und England waren über Jahrhunderte immer wieder traditionelle Absatzgebiete (mit Aufs und Abs) für alle Weine, die über den Rhein gehandelt wurden. Der Anteil der rheinhessischen Weine ist dabei allerdings nicht zu ermitteln, da, erstens, Rheinhessen als geschlossene Region mit einem einheitlichen Wirtschafts- und Zollgebiet erst seit dem 19. Jahrhundert existierte und, zweitens, nur ein kleiner Teil der Weine unter Wertschätzung der jeweiligen orts- oder lagespezifischen Herkunft gehandelt wurde. Viele Weine aus unserer Region hießen über Jahrhunderte hinweg im Ausland schlicht „Rheinwein“, „Hock“, oder „Liebfrauenmilch“. 

Liebfrauenmilch - Der Exportschlager

„Liebfrauenmilch“ wurde bereits im Jahr 1774 erstmals erwähnt. Seinen Namen verdankt der Wein dem ursprünglichen Anbaugebiet in den Weingärten um die Liebfrauenkirche in Worms. Das Weinhandelshaus Peter Joseph Valckenberg baute die Liebfrauenmilch als internationale Marke für das Exportgeschäft aus. Um 1900 galt dieser Wein als einer der besten Europas. Der gute Ruf der Liebfrauenmilch wurde in den folgenden Jahrzehnten allerdings von Weinexporteuren für eine Vielzahl von Weinen genutzt.

Noch heute wird Liebfrauenmilch überwiegend exportiert – vor allem nach Großbritannien und Russland. Dort wurde sie seit den 1970er Jahren als preiswerter Wein mit hohem Anteil an Restsüße in Getränkekartons angeboten und erlangte das Image eines „billigen Supermarktweins“. Das Original wird dagegen heute als „Liebfrauenstift-Kirchenstück“ rund um die Weinberge der Liebfrauenkirche in Worms angebaut. In den letzten Jahren setzten sich das Weinbauministerium und einzelne rheinhessische Winzer aktiv für eine positive Neubesetzung und Wiederbelebung der Marke ein.

Liebfrauenmilch - ein Name wird populär

Bild: Sammlung Stephan Euler
Bild: Sammlung Stephan Euler

„Blue Nun“

Die Anfang der 1920er Jahre geschaffene Marke „Blue Nun“ ist noch immer eine der bekanntesten Marken für Liebfrauenmilch und möglicherweise deutschen Wein überhaupt im englischsprachigen Raum. Die Marke wurde von dem 1857 gegründeten und historisch bedeutsamen Mainzer Weinhandelshaus H. Sichel Söhne geschaffen. Der 1922 geborene Inhaber Peter Sichel (Weinhändler und Geheimagent) machte die rheinhessische Liebfrauenmilch unter diesem Namen zwischen den 1950er und 1980er Jahren in den USA zu einem Kultgetränk, nachdem er wegen seines jüdischen Glaubens aus Deutschland fliehen musste. 

Urheberschaft

Autor: Simeon Guthier
Stand: 25.10.2022

Literatur

Anmerkungen:

  1. Deutschland exportiert weniger, aber teureren Wein. In: bonvinitas. Das große online Wein- und Genießerjournal mit Weinführer. URL: https://www.bonvinitas.com/de/news/deutschland-exportiert-weniger-aber-teureren-wein (Zugriff: 16.08.2022). Zurück
  2. Rheinhessenwein e.V. (Hrsg.): Weinexport aus Rheinhessen 2021 (vorl.). URL: https://www.rheinhessen.de/action/download?lang=de&id={f6a654ed-4f5a-27c5-069a-723a78dd936e} [PDF-Download] (Zugriff: 25.10.2022).

     Zurück
  3. Außenhandel mit Wein. USA wichtigstes Abnehmerland, Italien bedeutendstes Herkunftsland. In: Statistische Monatshefte Rheinland-Pfalz (09/2008), S. 680-685. URL: https://www.statistik.rlp.de/fileadmin/dokumente/monatshefte/2008/September/09-2008-680.pdf (Zugriff: 16.08.2022); Deutsches Weininstitut GmbH (Hrsg.): Deutscher Wein Statistik 2021 / 2022. URL: https://www.deutscheweine.de/fileadmin/user_upload/Website/Service/Downloads/Statistik_2021-2022.pdf (Zugriff: 16.08.2022), hier S. 2. Zurück
  4. Mahlerwein, Gunter 2016, S. 36 und, S. 42–43. Zurück
  5. Der Niersteiner Jacob Schlamp berichtet ausführlich über die ersten Versuche um das Jahr 1880 erste „californische“ Weine in den deutschen Ländern zu importieren – damals ein Event! Er resümierte: „selbst an den Ufern des Rheines fand eine Versteigerung von amerikanischen Weinen statt. Dieser Versuch scheint den gewünschten Erfolg nicht gehabt zu haben, aber ebenwohl zwingt uns solches Beginnen, dem amerikanischen Weinbau unserer Aufmerksamkeit mehr als bisher zuzuwenden“; vgl. hierzu Schlamp, Jacob, 1882, S. 106 und S. 175. Zurück

Fehler: Fußnote konnte nicht geladen werden.