Etikett eines Liebfrauenmilch-Stiftweins von 1921.
Etikett eines Liebfrauenmilch-Stiftweins von 1921. Bild: Sammlung Stephan Euler

Kunsthistorische Perspektive

Das Etikett unter Einfluss der Kunst

Das Thema Wein ist als künstlerisches Motiv in allen Epochen zu finden. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam das gedruckte Flaschenetikett auf. Künstlerinnen und Künstlern war damit die Möglichkeit geschaffen, ihre Inspirationsquelle über das Etikett selbst zur Leinwand ihres Schaffens zu machen. [Anm. 1]

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Die verschiedenen Stilepochen und Entwicklungen in der Kunst finden sich auf diese Weise in der Motivgestaltung der Weinetiketten wieder. Dabei darf keinesfalls davon ausgegangen werden, dass sich Weinetiketten zu irgendeiner Zeit in ihrer Mehrheit einer Stilepoche zuordnen ließen. In der Frühzeit der gedruckten Weinetiketten lassen sich zudem noch keine deutlichen Auswirkungen der künstlerischen Epochen, wie Biedermeier, Gründerzeit-Stil und Impressionismus, auf die überwiegend schlichte Gestaltung feststellen. [Anm. 2]

Bild: Sammlung Stephan Euler
Bild: Sammlung Stephan Euler
Bild: Sammlung Stephan Euler
Bild: Sammlung Stephan Euler

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert findet sich auf vielen Weinetiketten die Motivik des Jugendstils wieder. Die geschwungenen Linien nehmen in den folgenden Jahrzehnten oft stärker geordnete, geometrische Fomen an (in seltenen Fällen auch expressionistischen Charakter). [Anm. 3]

Eindeutige künstlerische Parallelen finden sich im Jugendstil (Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg): Naturbilder, vor allem Pflanzen, erscheinen zunächst in verspielten schwungvollen Linien und werden mit den Jahren immer abstrakter. Der Expressionismus wirkt sich danach nur in wenigen Einzelstücken auf die Etikettengestaltung aus. Diese weisen klare Linien, Flächen und kräftige Farben auf. 

Etwa ab den 1910er Jahren bis zum Ende des Zweiten Weltkrieg lässt sich ein deutlicher Trend zu kontrastreichen, harten Linien, zur Frakturschrift, altertümlichen Wappen, zum Mythologischen und zum romantisierten Bauerntum bis hin zur vaterländischen Kriegsbegeisterung nachvollziehen. Häufig wird dies begleitet durch eine Nachahmung alter Urkunden oder Pergaments. [Anm. 4]

Etiketten mit romantisiertem Bauerntum und vaterländischen Motiven. Bild: Sammlung Stephan Euler
Etiketten mit romantisiertem Bauerntum und vaterländischen Motiven. Bild: Sammlung Stephan Euler
Etiketten mit romantisiertem Bauerntum und vaterländischen Motiven. Bild: Sammlung Stephan Euler
Manche Weine, wie der „Niersteiner Pionierschweiß“, übernahmen sogar militärische Begrifflichkeiten. Bild: Sammlung Stephan Euler

Seit der Nachkriegszeit waren die Etiketten wesentlich stärker auf Massenkonsum und -verkauf ausgerichtet. Sie überboten sich bis in die 1960er, 70er und 80er Jahre gegenseitig in ihrer Informationsdichte und Farbigkeit. [Anm. 5] Dabei zeigten die Etiketten zum großen Teil Landschaftsszenen und traditionell wirkende Wappen. Sie waren oft in Frakturschriften gesetzt und von breiten goldenen oder bronzenen Rahmen umschlossen. Spätestens seit den 1970er Jahren präsentierten sich daneben immer mehr Etiketten betont modern, um sich von der Masse abzusetzen.

Literatur

  • Bischof, Steffen: Das Etikett im Wandel des Geschmacks. In: Heimatjahrbuch Landkreis Mainz-Bingen, Bd. 45. Idar-Oberstein 2001, S. 83-86.
  • Kehr, Walter: Wein und Kunst vereint auf Flaschenetiketten. Edler Rheingauer Riesling verdient zum Kunstobjekt zu werden. In: Heimatjahrbuch des Rheingau-Taunus-Kreises, Bd. 37 (1986), S. 167-169 
  • Müller, Hermann-Dieter: Weinetiketten - Ausdrucksmittel ihrer Zeit. In: Gonsenheimer Jahrbuch, Bd. 9 (2001), S. 114-118.
  • Thielen, Johann: Zur Geschichte des Deutschen Weinetiketts. Schriften zur Weingeschichte, Sonderheft 1, Wiesbaden 1975

Anmerkungen:

  1. Die künstlerische Gestaltung von Etiketten ist längst eine anerkannte Kunstform. Mitunter werden Etiketten in Kunstsammlungen aufgenommen oder sogar leere Flaschen aufgrund ihres Etiketts versteigert; vgl. hierzu Kehr 1986, S. 171. Zurück
  2. Thielen 1975, S. 10. Zurück
  3. Müller 2001, S. 114-115; Thielen 1975, S. 11-13; Bischof 2001, S.84. Zurück
  4. Thielen 1975, S. 14-15. Zurück
  5. Steffen 2001, S. 84; Thielen 1975, S. 16. Zurück

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