Klöster und Stifte
Bedeutung für die Entwicklung des Weinbaus
Wer an Klöster und Wein denkt, hat schnell idyllische Bilder von wohlgenährten Geistlichen in einem gutgefüllten Fasskeller vor Augen. Tatsächlich begann die Beziehung zwischen Kloster und Wein in der Spätantike jedoch weniger harmonisch: Ganz im Sinne asketischer Lebensweise war das Verhältnis der ersten Glaubensgemeinschaften – zahlreicher Erwähnungen in der Bibel zum Trotz – eher verhalten bis ablehnend. [Anm. 1] Der Mönchsvater Benedikt von Nursia gestand im vierzigsten Kapitel seiner um 540 entstandenen Benediktsregel den Mönchen nur ein bescheidenes „Quantum“ (etwa 0,273 Liter) pro Tag zu. Lediglich bei schwerer Arbeit in heißen Sommern durfte der Prior höhere Mengen zulassen – allerdings niemals so viel, dass Trunkenheit einsetzen könnte. [Anm. 2] Erst im weiteren Verlauf des Frühmittelalters vom 6. bis 8. Jahrhundert übernahmen die Kleriker eine aktivere Rolle im Weinbau. [Anm. 3]
Bildergalerie: Michael Zabel von Zornheim und seine Ehefrau Grede pachten für 10 Jahre von Abt, Prior und Konvent des St. Jakobsbergs einen Hof zu Zornheim mit allen zugehörigen Äckern und Weinbergen.
Ursprünglich entstanden Klöster oder Stifte oft durch einen reichen Adeligen, der sie mit einem Vermögen und Grundbesitz ausstattete. Es handelte sich bei einer solchen Stiftung nicht zuletzt um eine Investition in die Infrastruktur des eigenen Territoriums. Denn Klöster wurden nicht selten in einem noch „wilden“, unkultivierten Landstrich angesiedelt, betrieben dort Landbau, errichteten Werkstätten und gründeten Schulen, Apotheken sowie weitere Einrichtungen. [Anm. 4] Außerdem – und das war in der gottesfürchtigen mittelalterlichen Lebensrealität mindestens genauso wichtig – hatten die Bewohner des Klosters für das Seelenheil des Stifters zu beten. [Anm. 5] Die Ausbreitung des Weinbaus in Deutschland, und damit einhergehend vermutlich auch dessen früher auch sakrale Allgegenwärtigkeit, [Anm. 6] ist in großen Teilen auf solche Stiftungen an Benediktiner und Zisterzienser zurückzuführen. [Anm. 7] Letztere entwickelten zudem rasch ein Talent für den Handel mit Wein und waren daran am Rhein maßgeblich beteiligt. [Anm. 8]
Im Forschungsprojekt „Klöster und Stifte in Rheinland-Pfalz“ sind für das Gebiet des heutigen Rheinhessen bislang 86 historische Klöster und Stifte erfasst. Die meisten von ihnen befanden sich in den Städten Alzey, Mainz, Oppenheim und Worms, aber auch in Bingen, Ingelheim und vereinzelt in kleineren Ortschaften. [Anm. 9] Die Versorgung mit Wein war für jedes einzelne ein Thema: sowohl als unmittelbarer Weinbergsbesitz mit Weinbereitung in eigenen Kellern, falls vorhanden, oder über den indirekten Weg als Abgabepflicht auf verpachteten Grundbesitz. [Anm. 10] So besaß beispielsweise das gut erforschte Stift „St. Alban vor Mainz“ einen auf mehr als 200 Orte verstreuten Besitz, überwiegend im Gebiet des heutigen Rheinhessen, aber auch darüber hinaus. [Anm. 11] Ähnliches lässt sich für die Mainzer Johanniter, das Johannisstift, Liebfrauen zu den Staffeln, St. Stephan und viele weitere Klöster und Stifte festhalten. [Anm. 12] Linksrheinisch lag der überwiegende Teil des Mainzer Stiftsbesitzes dabei in den angesehensten Orten an den Rheinterrassen. [Anm. 13] Die weingeschichtliche Bedeutung der zahlreichen klerikalen Einrichtungen ist noch nicht zusammenhängend mit Blick auf die gesamte Region untersucht. Es darf davon ausgegangen werden, dass auch die Alzeyer, Wormser, Oppenheimer, Binger und Ingelheimer Klöster den Mainzern darin wenig nachstanden.
Rheinhessen war darüber hinaus in erheblichem Umfang auch geprägt von weiter entfernten Klöstern, welche hier ihre Weinbesitzungen hatten: Zu den ältesten und wichtigsten unter ihnen zählen das 744 gegründete Kloster Fulda und das 764 gegründete Kloster Lorsch, in deren Kopialbüchern zahlreiche rheinhessische Orte zum ersten Mal namentlich genannt werden, sowie das 1136 gegründete Kloster Eberbach, welches mit seinen vielen Höfen (Grangien) am ganzen Rhein zu einer Wirtschaftsmacht heranwuchs.
In die Kritik geriet „Das Weingebaren der Pfaffheit“ vor allem ab dem Spätmittelalter immer stärker. Der Klerus war von Steuern befreit und der eigene Ausschank und Kleinverkauf in den Städten nahm immer größere Ausmaße an – in Mainz galt dies insbesondere ab 1462, nachdem die Stadtfreiheit verlorengegangen war. Der eigene Weinverkauf der Klöster und Stifte soll direkt von den Kanzeln angepriesen worden sein. Dies erregte den Unmut der städtischen Oberschicht, welche ihre eigenen Ansprüche gefährdet sah, und führte bis zur Säkularisation immer wieder zu beträchtlichen Streitigkeiten. [Anm. 14]
Weitere Informationen
Urheberschaft
Autor: Simeon Guthier
Stand: 25.10.2022
Literatur
- Institut für Geschichtliche Landeskunde Rheinland-Pfalz e. V (Hrsg.): Klöster und Stifte in Rheinland-Pfalz. URL: www.klosterlexikon-rlp.de (Zugriff: 02.08.22)
- Koch, Hans-Jörg: Weinparadies Rheinhessen. Reben, Kultur, Land u. Leute. 3., überarb. u. wesentl. erw. Aufl. Alzey 1982.
- Matheus, Michael: Von friesischen Fernhändlern und Kranen in Mainz: Der Rhein als mittelalterliche Handelsroute. In: Mainz. Stadt am Strom. Hrsg. v. Hedwig Brüchert 2022, S. 37–72.
- Mathy, Helmut: Kurmainzer Weinbau und Weinhandelspolitik vom 17. bis 19. Jahrhundert. In: Weinbau, Weinhandel und Weinkultur. 6. Alzeyer Kolloquium. Hrsg. v. Alois Gerlich. Stuttgart 1993 (Geschichtliche Landeskunde, Bd. 40), S. 188–222.
- Mathy, Helmut: Weinkultur in Mainz seit dem Mittelalter. Wiesbaden 1993 (Schriften zur Weingeschichte, Bd. 105).
- Schmid, Reinhard: Die Abtei St. Alban vor Mainz im hohen und späten Mittelalter. Geschichte, Verfassung und Besitz eines Klosters im Spannungsfeld zwischen Erzbischof, Stadt, Kurie und Reich. Mainz 1996 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Mainz, Bd. 30).
- Schreiber, Georg: Deutsche Weingeschichte. Der Wein in Volksleben, Kult und Wirtschaft. Köln 1980 (Werken und Wohnen, Bd. 13).
- Seeliger, Hans Reinhard: Wein und Weinbau der Abtei Ebrach im Steigerwald und die Frage der Herkunft des Silvaners in Franken. Stiftung und Wein: Historische SKizzen zum Leben in Klöstern stiften und Hospitälern. Zwei Vorträge. Wiesbaden 2014 (Schriften zur Weingeschichte, Bd. 185).
- Staab, Franz: Agrarwissenschaft u. Grundherrschaft. Zum Weinbau d. Klöster im Frühmittelalter. Stuttgart 1993.