Bodenkarte von Bergrat Dr. W. Wagner (Geologische Landesanstalt Darmstadt). Die Karte lag 1927 der zweiten Auflage des Buchs „Die Rheinweine Hessens“ bei. Es handelt sich um ein einzigartiges Zeitdokument, das in dieser Form nur für Rheinhessen existiert.
Bodenkarte von Bergrat Dr. W. Wagner (Geologische Landesanstalt Darmstadt). Die Karte lag 1927 der zweiten Auflage des Buchs „Die Rheinweine Hessens“ bei. Es handelt sich um ein einzigartiges Zeitdokument, das in dieser Form nur für Rheinhessen existiert.  Bild: Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe-Hunsrück

Lage- und Herkunftsbewusstsein

„Für manchen Weinfreund ist der Lagename mehr noch, nämlich nicht nur Herkunftshinweis, sondern außerdem Qualitätsvermutung.“

[Anm. 1]  

Im Jahr 2021 wurde eine Neuregelung im deutschen Weinrecht getroffen, welche ab dem Weinjahrgang 2026 verbindlich sein wird. Zukünftig wird für die Qualität deutscher Weine die Herkunft der Trauben ein entscheidendes Kriterium sein. Es wird dabei gelten: „Je enger die Herkunft, desto höher das Qualitätsversprechen“. [Anm. 2] Ist als Herkunft der Lagename, die Gemeinde oder ein Ortsteil genannt, so darf dies zukünftig als ein Indiz für bessere Qualität verstanden werden, im Gegensatz zu Weinen, bei denen nur die Region (neuer Begriff für „Großlage“) oder lediglich das Anbaugebiet genannt sind. 

Der Begriff „Terroir“, also die gesamte natürliche Umgebung und Umwelteinflüsse der Rebstöcke, die sich im fertigen Wein als Geschmack wiederfinden, entwickelte sich erst in den letzten Jahrzehnten. Der Terroir-Gedanke ist dabei schon längst nicht mehr elitäre Theorie, sondern weitverbreiteter Anspruch unter Winzerinnen und Winzern. Der neuen Winzergeneration geht es darum „herauszufinden, welche Pflanzen sich auf welchen Standorten besonders wohlfühlen“ und „welche Rebsorten, Klone und Unterlagen unter welchen Bewirtschaftungsbedingungen die besten gesunden und vollreifen Trauben ergeben. Es geht den jungen Winzerinnen und Winzern darum, einen unverwechselbaren einzigartigen Wein zu produzieren, der die Identität des Standortes in sich trägt.“ [Anm. 3]

Das grundsätzliche Konzept eines geographischen Herkunftsbewusstseins als Garant für Qualität fußt auf einer langen Tradition. Schon Anfang des 16. Jahrhunderts werden Herkunftsangaben in Rheinhessen üblich. Unter der Herkunft darf hierbei allerdings in aller Regel nur der Weinort verstanden sein, nur in seltenen Ausnahmefällen eine bestimmte Lage. [Anm. 4] Um 1800 wurden die mündlichen Benennungen der Parzellen in die verschiedenen Urkataster übernommen und damit fixiert. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts erhielten Lagenamen schließlich ihre allgemeine Funktion als Herkunftsangabe im Geschäftsverkehr und Konsum. [Anm. 5]

Beispielhafter Vergleich: Laubenheim

Bild: Sammlung Stephan Euler
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Die rechtlichen Regelungen zur Nutzung der Herkunftsangaben folgte 1894. Das zwei Jahre vorher verabschiedete erste deutsche Weingesetz vom 20. April 1892 enthielt zahlreiche Bestimmungen zum Umgang und zum Handel mit Wein, jedoch noch keine Bestimmungen hinsichtlich der Herkunftsbezeichnungen. Diese wurden erst im Warenzeichengesetz vom 12. Mai 1894 erstmals geregelt – allerdings noch allgemeingültig und nicht speziell auf Wein ausgerichtet. [Anm. 6] Das Weingesetz von 1901 schwieg ebenfalls zum Bezeichnungsrecht. Erst im dritten Weingesetz vom 7. April 1909 wurden bezeichnungsrechtliche Vorschriften elementarer Teil des Weinrechts: Das Konzept der Sammellagenamen wurde begründet und der Begriff „Lage“ tauchte nun erstmals weinrechtlich auf. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde großer Missbrauch getrieben und viele Weine unabhängig ihrer Herkunft mit etablierten Namen wie Rüdesheimer, Niersteiner oder Oppenheimer geschmückt. [Anm. 7] Am 25. Juli 1930 übernahm man hinsichtlich der Herkunftsbezeichnungen im Wesentlichen die bestehenden Regelungen. Irreführende Angaben oder Aufmachungen wurden nun jedoch ausdrücklich verboten. [Anm. 8] Eine größere Änderung brachten erst zwei Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft 1970 und das Weingesetz von 1971. [Anm. 9] Alle Weine wurden nun in drei Weingruppen eingeteilt und genau geregelt, welche Angaben auf dem Etikett stehen dürfen und müssen. Der Begriff „Lage“ wurde erstmals definiert, nämlich als bestimmte Rebfläche oder mehrere Flächen einer oder mehrerer Gemeinden aus denen „gleichwertige Weine gleichartiger Geschmacksrichtung hergestellt zu werden pflegen“. [Anm. 10] Voraussetzung der offiziellen Herkunftsangabe war die Eintragung in einem anerkannten Verzeichnis, der sogenannten „Weinbergsrolle“. [Anm. 11] Die Gesetzeslage wurde auch im Folgenden immer wieder den Bedürfnissen der Zeit angepasst, wie eingangs bereits ersichtlich. [Anm. 12]

An frühen Papier-Weinetiketten aus dem 19. Jahrhundert lässt sich die Entwicklung des Herkunftsbewusstseins gut nachvollziehen. Anfänglich finden sich ganz überwiegend die Weinbaugemeinden – falls überhaupt eine Angabe gemacht wird. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts begannen viele Betriebe Lagenamen aufs Etikett zu drucken, zum Ende des Jahrhunderts wurde es zum Standard. Die Entwicklung ging einher mit der allgemein einsetzenden Verwissenschaftlichung im Weinbau zu dieser Zeit, wodurch auch die Bedeutung der Lage und der Umweltfaktoren für die Weinqualität noch deutlicher identifiziert wurde. [Anm. 13] Die sprachetymologische Entstehung der Lagenamen aus Flurnamen sowie die Interpretation einiger volksetymologischer Deutungen ist ein spannendes Forschungsfeld der Sprachwissenschaft.

Urheberschaft

Autor: Simeon Guthier
Stand: 25.10.2022

Literatur

  • Deutsches Weininstitut: Neuregelungen im Deutschen Weinrecht. URL: www.deutscheweine.de/wissen/qualitaetsstandards/neuregelungen-im-deutschen-weinrecht/ (Zugriff: 28.07.2022).
  • Gesetz über Wein, Likörwein, Schaumwein, weinhaltige Getränke und Branntwein aus Wein (Weingesetz). Vom 14. Juli 1971. URL: www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav (Zugriff: 28.07.2022)
  • Koch, Hans-Jörg: Der Weinlagename als Herkunftsangabe und Qualitätshinweis. Rechtsgeschichte, aktuelle Regelungen, Reformvorschläge. Wiesbaden 1998 (Schriften zur Weingeschichte, Bd. 123).
  • Schätzel, Otto: Rheinhessen - Weinregion mit Tradition. In: Rheinhessen- Identität- Geschichte- Kultur. Vorträge zum 10. Alzeyer Kolloquium des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V. in Zusammenarbeit mit dem Altertumsverein für Alzey und Umgebung e.V. und der Arbeitsgemeinschafts Rheinhessische Heimatforscher e.V. sowie ergänzende Beiträge zur rheinhessischen Geschichte. Hrsg. v. Franz J. Felten [u.a.]. Stuttgart 2016 (Geschichtliche Landeskunde, Bd. 72), S. 93–100.
  • Türk, Henning: Verwissenschaftlichung, Assoziierung, Verrechtlichung. Prozesse und Rahmenbedingungen des Weinbaus im deutschen Südwesten seit dem 19. Jahrhundert am Beispiel Rheinhessens. In: Weinbau in Rheinhessen. Beiträge des Kulturseminars der Weinbruderschaft Rheinhessen zu St. Katharinen am 14. November 2015. Hrsg. v. Andreas Wagner. Wiesbaden 2016 (Schriften zur Weingeschichte, Bd. Nr. 190), S. 10–30.
     

Anmerkungen:

  1. Zit. Koch, Hans-Jörg, 1998, S. 5. Zurück
  2.   Zit. Deutsches Weininstitut: Neuregelungen im Deutschen Weinrecht. URL: https://www.deutscheweine.de/wissen/qualitaetsstandards/neuregelungen-im-deutschen-weinrecht/ (Zugriff: 28.07.2022). Zurück
  3. Zit. Schätzel, Otto 2016, S. 99. Zurück
  4. Im allgemeinen Sprachgebrauch sind „Lage“ und „Lagename“ synonym, bezeichnen im Weinrecht aber Unterschiedliches: Lage ist der vermessene Teil Erdoberfläche, Lagename ist dessen Bezeichnung im speziellen Verkehr mit Wein; vgl. hierzu Koch, Hans-Jörg, 1998, S. 7. Zurück
  5. Koch, Hans-Jörg, 1998, S. 10. Zurück
  6. Koch, Hans-Jörg, 1998, S. 12. Zurück
  7. Türk, Henning 2016, S. 26–28; Koch, Hans-Jörg, 1998, S. 12–13. Zurück
  8. Koch, Hans-Jörg, 1998, S. 14. Zurück
  9. Weinmarktverordnung EWG Nr. 816/70 und Qualitätsweinverordnung Nr. 817/70 sowie das Weingesetz vom 16. Juli 1971; vgl. hierzu Koch, Hans-Jörg, 1998, S. 15. Zurück
  10.   Gesetz über Wein, Likörwein, Schaumwein, weinhaltige Getränke und Branntwein aus Wein (Weingesetz). Vom 14. Juli 1971. URL: http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl171s0893.pdf (Zugriff: 28.07.2022) Zurück
  11. Die in diesen Weinbergsrollen erfassten Flurnamen sind teilweise identisch mit den im Flurkataster erfassten Flurnamen, aus denen sich die Lagenamen häufig entwickelten. Teilweise sind die Flurnamen aber auch umfassender als nach ihnen bezeichneten Lagenamen. Während Flurnamen eine zivilrechtliche Bezeichnung sind, kommt Lagenamen lediglich ein Status als öffentlich-rechtliche Produktbezeichnung zu; vgl. hierzu Koch, Hans-Jörg, 1998, S. 9–10. Zurück
  12. Koch, Hans-Jörg, 1998, S. 16–17 und 35. Zurück
  13. Koch, Hans-Jörg, 1998, S. 10–11. Zurück

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