Die Lage Niersteiner Glöck.
Die Lage Niersteiner Glöck. Bild: Buchpetzer / shutterstock.com

Lagenamen und Sprache

Eine kurze Übersicht

Was sind eigentlich Weinlagenamen?

Weinlagenamen sind Benennungen für genau abgegrenzte und in die bei der Landwirtschaftskammer in Bad Kreuznach geführte Weinbergsrolle eingetragene Rebflächen. Die meisten Weinlagenamen gelten für Einzellagen. Mehrere Einzel­lagen können zu Großlagen zusammengefasst werden. In Nierstein bilden z. B. die Einzellagen Brudersberg, Goldene Luft, Hipping und Pettenthal die Großlage Rehbach.

Wo begegnen uns Weinlagenamen?

Weinlagenamen begegnen uns vor allem auf Flaschen­etiketten, auf den Preislisten und Flyern der Weingüter und gelegentlich auch in den Weinbergen selbst, wenn die Weinbaudörfer weithin sichtbare Beschriftungen anbringen lassen.

Beispiel: Blick auf den Roten Hang in Nierstein

Im Bereich des Roten Hanges (inoffizieller Lagename) in Nierstein gab es Mitte des 20. Jahrhunderts knapp 20 Lagenamen: Eselspfad, Fläschenhahl, Floß, Fuchsloch, Hinkelstein, Hipping, Oberer Hipping, Unterer Hipping, Kehr, Pettental, Pfütze, Rehbach, Obere Rehbach, Untere Rehbach, Sommerbirnbaum, Sommerseite, Tal...

Im Zuge von Flurbereinigung und Namenreduktion wurden Wein­lagenamen wie Fläschenhahl, Fuchsloch, Kehr usw. getilgt. Der Geltungsbereich von Hipping als Weinlagename wurde ausgeweitet (s. Karte). Ein Name hat knapp 20 andere ersetzt. Der Hipping gehört heute zur Großlage Rehbach.

Reduzierung der Lagenamen im Jahr 1971

In Eduard Goldschmidts Verzeichnis „Deutschlands Weinbauorte und Weinbergslagen“ (Speyer 1951) sind die damaligen Lagenamen angeführt. Der „Spiegel“ (25.01.1971) ging im Zusammenhang mit der Einführung des neuen Deutschen Weingesetzes und der damit verbundenen Lagenamenreduzierung von ca. 36.000 Lagenamen aus. Um das Jahr 1975 dürfte deren Zahl bei ca. 2.700 gelegen haben. Das verringerte Nameninventar sollte für Winzer, Weinhandel, Supermärkte und Verbraucher mehr Übersichtlichkeit herstellen. Einzellagen unter 5 Hektar Größe durften (in der Regel) keinen Namen mehr führen. Ziel dieser Maßnahme sei die „Dynamisierung des Vertriebs“, so die Weinwirtschaft. Der Mainzer Weinbauminister Oskar Stübinger formulierte Ende der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts das Ziel etwas volkstümlicher: „Es muss mehr gesoffen werden.“

Oppenheimer Krötenbrunnen und Niersteiner Rehbach

Oppenheimer Krötenbrunnen ist ein Großlagename. Er überdeckt Rebflächen in Oppenheim, Alsheim, Dienheim, Dolgesheim, Eich, Eimsheim, Gimbsheim, Gunterblum, Hillesheim, Ludwigshöhe, Mettenheim, Uelversheim und Wintersheim. Auch Rehbach ist ein Großlagename. Hipping hingegen ist der Name einer Einzellage. Flur­namen sind Benennungen für land- oder forstwirtschaftlich genutzte Flächen außerhalb geschlossener Ortschaften (Äcker, Gärten, Weiden, Weinberge, Wiesen). Auch die Naturlandschaft wird mit Flur­namen strukturiert. Es handelt sich hierbei um Namen für Täler, Vertiefungen, Erhöhungen, Hügel, Berge, Sümpfe, Ödland usw. In Textquellen sind Flurnamen vereinzelt seit dem hohen Mittelalter bezeugt. Im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit treten sie dann in großer Zahl auf.

Die Mehrzahl der heutigen Weinlagenamen ist aus Flurnamen entstanden. Dies gilt auch für Krötenbrunnen und Rehbach.

Krötenbrunnen

ca. a. 1200: in cradenburnen, a. 1273: vinea dicta Kredimburne, a. 1308: in loco, quod dicitur Credenburne, a. 1521: am Kredenborn, a. 1540 am kredenborn, a. 1606 im Krettenborn, a. 1684 im Credeborn, a. 1712: am Krotten Brunnen, a. 1773: im Grethen brunnen.

Deutung: zugrunde liegt Kröte Fem., rheinhessisch Krott ‚Kröte‘ (Bufo vulgaris). Der Name benennt also eine Stelle, an der reichlich Kröten vorhanden waren. Die Stadt Oppenheim wurde lange Zeit mit Wasser aus dem Krötenbrunnen versorgt.

Rehbach

a. 1355 an Rodebecher var, a. 1358 off Rodebecher velde, a. 1540 unden an Robach, a. 1569 bey Roydenbach, bey Reydenbach, a. 1684 Zu Rehbach, a. 1718 Über der Rehbacher Steig.
Deutung: Der Name geht auf die wüst gewordene Siedlung Rodenbach zurück.

Niersteiner Glöck

Gelegentlich ist zu lesen, die Weinlage Niersteiner Glöck sei „742 erstmals urkundlich erwähnt“, sei die „älteste urkundlich erwähnte Weinlage Deutschlands“. Die Legendenbildung beruht auf einer fünfstrophigen Ballade des 19. Jahrhunderts, publiziert in: „Die Niersteiner Gloeck. Ein Beitrag zur Geschichte des Rheinischen Weinbaues“. Mainz 1898, S. 49. Nachfolgend aus dieser Ballade die Strophen 1, 2 und 4.

Als Herzog Karlmann von Frankenland
Gezogen kam an des Rheines Strand,
Der Glocken Akord in machtvollem Sang
Zu Nierstein ihm entgegen klang.

Und festlich treten die Ratsherrn hin,
Kredenzen dem Fürsten in treuem Sinn
Als Gruss den goldnen Ehrenwein;
Die Glocken rufen schallend darein.

Darauf Karlemann sinnend zum Hügel schaut,
Hebt hoch das Glas und rufet laut:
„Das ist der wahre Wein vom Rhein,
Die Glöcke soll er geheissen sein!

In der Tat hat Karlmann im Jahre 742 Bischof Burkhard von Würzburg die Kirche zu Nierstein geschenkt. Die Urkunde darüber ist nicht erhalten. Auch wenn sie erhalten wäre, könnte der Name Glöck hierin nicht zu finden sein: Um diese Zeit gab es noch keine Flurnamen und den Laut ö gab es auch noch nicht. Die ältere Schreibung und Aussprache des Namens ist Glek/Klek. Das kann mit Glocke nichts zu tun haben. Über die Vorgänge des Jahres 742 sind wir durch eine Bestätigungsurkunde Ludwigs des Frommen aus dem Jahre 822 informiert. Hierin ist auch der Ortsname Nierstein (Naristagne) erstbelegt. Von der Glöck ist nicht die Rede.

Im Jahr 2022 wurde durch Dr. Franz Stephan Pelgen und Dr. Kai-Michael Sprenger der bisher älteste Beleg für die Niersteiner Glöck ausfindig gemacht: Im Seelgerätbuch des Niersteiner Pfarrarchivs St. Kilian aus dem 15. Jahrhundert als „wingart off der Clegken“ (S. 84). Der Name ist damit etwa drei Jahrhunderte älter als bisher nachgewiesen war (1742).

Vortrag von Dr. Rudolf Steffens zur Niersteiner Glöck

Urheberschaft

Autor: Dr. Rudolf Steffens
Redaktionelle Bearbeitung: Simeon Guthier
Stand: 28.10.2022

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