Blick durch rheinhessische Rebzeilen.
Blick durch rheinhessische Rebzeilen.  Bild: hangar-13 / shutterstock.com

Einleitung

Eine herzliche Einladung zum Stöbern

Weinbau und Weinkultur sind zentrale Bausteine der rheinhessischen Identität. 133 von 136 [Anm. 1] Gemeinden betreiben hier auf der eigenen Gemarkung Weinbau und machen Rheinhessen zum deutschlandweit größten Anbaugebiet. Mit dieser Webseite möchten wir Sie einladen auf eine Reise durch die Vielfalt der historischen Weinthemen, die sich in unserer Region Rheinhessen „genussvoll entdecken“ lassen.

Rheinhessen, – früher auch „hessische Pfalz“ genannt [Anm. 2] – das ist jener linksrheinische Landstrich zwischen Worms, Alzey, Bingen und Mainz. Die Region wird im Norden und Osten durch den Rhein begrenzt und gehört heute zum Bundesland Rheinland-Pfalz. Von 1816 bis 1937 war sie Bestandteil des Großherzogtums und Volksstaats Hessens und hat sich, lange Zeit vor allem im Kontext als Weinanbaugebiet, ihren damaligen Namen bewahrt. Die fortwährende Identifikation der rheinhessischen Bevölkerung mit ihrer Region hat nicht zuletzt das 200-jährige Jubiläum bewiesen, welches im Jahr 2016 mit zahlreichen Veranstaltungen begangen wurde.

Geologisch befindet sich der größte Teil der durch ein Rheinknie begrenzten Region im sogenannten „Mainzer Becken“ und ist vielerorts von Lössböden geprägt. Dank einer geschützten Lage zwischen den gebirgigen Nachbarregionen zählt Rheinhessen zu den wärmsten und trockensten Gebieten in Deutschland – beste Voraussetzungen für den Weinbau. Der Rhein als zentrale Verkehrsstraße Europas ist zusätzlich von großer historischer Bedeutung als Industrie- und Handelstreiber. 

Die deutsche Great Wine Capital „Mainz und Rheinhessen“ ist eine Weinkulturlandschaft und zieht jährlich viele Touristinnen und Touristen in ihren Bann. Die regionale Identität und die Geschichte sind dabei traditionell sehr stark geprägt von der Rebenkultivierung. Dies zeigt sich bei historischen Betrachtungen in zahlreichen Lebensbereichen und dem regionalen Selbstverständnis bis zum heutigen Tag. 

Erstmals durch eine Schriftquelle belegt ist der Weinbau in Mainz-Bretzenheim für das Jahr 752. [Anm. 3] Es spricht aber manches dafür, eine Kontinuität seit römischer Zeit zu vermuten. Das in Weinbauregionen als Rebfläche zur Verfügung stehende Areal überrascht daher möglicherweise aus historische Perspektive: Denn heute besteht die Weinbaubranche in Rheinhessen überwiegend aus hochspezialisierten Betrieben, die in der Lage sind, große Rebenareale nachhaltig zu bewirtschaften. Demgegenüber waren in vorindustrieller Zeit kleinbäuerliche Betriebe die Regel, welche neben ein wenig Weinbau vor allem Ackerbau und Viehhaltung betrieben. Arbeitsaufwand und Düngerbedarf limitierten den Weinbau – zudem war die Sicherstellung der Nahrungsversorgung hauptsächliche Aufgabe der Landwirtschaft. [Anm. 4] Die größte geographische Ausdehnung erreichte der Weinbau in den deutschen Ländern zum Ende des Mittelalters (bis an die Ostsee), bevor Kriege, Epidemien und Klimaverschlechterung seinen geographischen Rückgang einläuteten. 

Vielerorts gab es in den folgenden Jahrhunderten keinen nennenswerten Weinbau mehr und selbst in den Weinbauregionen ist nur in wenigen Ausnahmen von mehr als etwa 3 bis 10 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche auszugehen. Gleichzeitig waren aber Weißweine aus der Gegend um Westhofen und Osthofen, Alsheim, Laubenheim, Bodenheim, Dienheim, Oppenheim und Nierstein, auch Rotweine aus Ingelheim, Budenheim und Heidesheim sowie die Wormser Liebfrauenmilch spätestens im 18. Jahrhundert weithin bekannt. [Anm. 5] Aus wirtschaftlicher Perspektive war das Produkt Wein nämlich – trotz anteilig geringerer Anbaufläche – ein wertvolles Agrarprodukt und von großem finanziellen Interesse für adelige oder geistliche Herrschaften. [Anm. 6] Für bäuerliche Familienbetriebe bot der (in guten Jahren) lukrative Weinbau die Möglichkeit, trotz stetig kleiner werdender Parzellen, weiter wirtschaften zu können. Mehrere schlechte Ernten konnten jedoch schnell zur Verarmung ganzer Landstriche führen.

Historische Einordnung und Ziele des Projekts

Um die Geschichte des Weinkonsums zu verstehen, bedarf es zudem einer historischen Einordnung des Produkts: Es kommt der Lebensrealität in deutschen Weinregionen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit näher, das Getränk Wein nicht ausschließlich als Genussmittel, sondern als ein Grundnahrungsmittel zu betrachten. Alltäglicher Konsum war üblich oder zumindest in allen Bevölkerungsgruppen erstrebenswert. Wasser hat als trinkbare Alternative, am Rande bemerkt und entgegen vielfachen Behauptungen, zur Verfügung gestanden. Wein wurde lediglich bevorzugt. Man trank ihn generell zur Frühsuppe, zu Mittag und zum Abend- oder Nachtessen, bei sonstigen Mahlzeiten sowie natürlich bei Festen. Eine Vergütung der geleisteten Arbeit – ganz gleich welcher Art – erfolgte üblicherweise neben Geld auch in Naturalien, insbesondere Wein. Selbst in langfristigen Anstellungsverhältnissen war Wein ein in aller Regel vertraglich vereinbarter und wichtiger Teil des jährlichen Lohns. In vielen sozialen Situationen gehörte Wein zum persönlichen und beruflichen Alltag: Kaufverträge, Auftragszuschlag oder Arbeitsabschlüsse wurden damit genauso besiegelt wie Eheschließungen, Kindstaufen, Patenschaften oder Beerdigungen u.v.m. Bei allem Verständnis für den Weinfrohsinn vergangener Tage muss allerdings gleichzeitig darauf hingewiesen werden, dass man zwar in hohen sozialen Kreisen zwischen verschiedenen Weinqualitäten genau zu unterscheiden wusste, [Anm. 7] der Begriff „Wein“ im damaligen Sprachgebrauch aber insgesamt noch produkttechnisch etwas weiter gefasst war – vor allem im preisgünstigeren Segment.

Außerdem enthielt Wein in unserem Raum deutlich weniger Alkohol als heute und wurde mitunter verdünnt getrunken. [Anm. 8] Der tatsächliche Konsum schwankte zudem erheblich mit den Ernteerträgen. [Anm. 9]

Der vorliegende Band möchte einen unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten erarbeiteten, identitätsstiftenden Beitrag darstellen – gleichzeitig aber auch eine unterhaltsame Lektüre sein, mit der ein Einstieg in die Themenvielfalt geboten und Interesse geweckt wird. Anstelle einer umfassenden epochalen Überblicksdarstellung, wie sie die Weingutsbesitzer und Schriftsteller des 19. und frühen 20. Jahrhunderts hervorzubringen vermochten, erwarten Sie nachfolgend viele kleinere und größere epochale Schlaglichter, die neugierig und Lust auf mehr machen sollen. Nach diesem epochalen Überblick zur Jahrtausende alten Tradition des Weinbaus in Rheinhessen folgen drei thematische Inhaltsblöcke zur Arbeitswelt, zu Wahrnehmung und Qualität sowie letztlich zu bedeutenden Entwicklungen und Prozessen. 

Konzeption und Projektförderung

Die hier online angezeigte Variante verfügt über weiterführende Informationen gegenüber der Buchversion dieses Projekts, sowie einige Zusatztexte, eine Vielzahl weiterer Bilder und ausgewählte Originalquellen. Der Autor hat bei der Arbeit an diesem Projekt Vieles dazugelernt und auch jetzt ist nichts sicherer, als dass es noch immer etwas Neues zu entdecken geben wird. Die Konzeption von Buch und Webseite in Kombination soll vor diesem Hintergrund auch die Möglichkeit schaffen, das Projekt lebendig zu halten, und erlaubt zukünftige Erweiterungen und Aktualisierungen.

Das nun abgeschlossene Vorhaben hätte in dieser Form nicht zustande kommen können ohne die Förderung durch die Europäische Union (LEADER) und das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch die ELER-Verwaltungsbehörde, namentlich das „Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz“. Diese Arbeit entstand darüber hinaus in enger inhaltlicher Kooperation und mit finanzieller Förderung durch die Weinbruderschaft Rheinhessen zu Sankt Katharinen e. V.

Eine glückliche Fügung stellt die integrierte Veröffentlichung der Ausstellung „Unser Wein und sein Etikett“ dar. Diese Ausstellung wurde 2020 für die „Rheinland-Pfalz Ausstellung“ konzipiert, konnte jedoch aufgrund der Pandemie bisher nicht gezeigt werden. Dank der Unterstützung durch Rheinhessenwein e. V. war es möglich, die entsprechenden Inhalte, als eigenständiges Vorhaben, neu aufzuarbeiten und damit die vorliegende Publikation sowie die Webseite um zusätzliche Inhalte zu bereichern.

Danksagung

Herzlichen Dank an die soeben benannten Unterstützer, die die Umsetzung dieses Projekts ermöglichten!

Darüber hinaus bedanke ich mich genauso herzlich bei allen privaten Sammlern, Rheinhessinnen und Rheinhessen, welche mich mit Quellen, historischen Fotografien und Kenntnissen unterstützt haben und weiterhin unterstützen. Das vorliegende Buch lebt maßgeblich von diesen tollen Beiträgen.

Danke!

Weiterer Dank gilt allen Kolleginnen und Kollegen am IGL, allen voran Felix Maskow, die zum Gelingen des Projekts beigetragen haben. Von fachlicher Seite möchte ich außerdem dankend auf die „Schriften zur Weingeschichte“ der Gesellschaft für Geschichte des Weines hinweisen, in welchen seit 1959 ein kaum zu überschätzender Wissensfundus aufgebaut wurde.

Abschließend möchte ich meinem besonderen Dank gegenüber Herrn Dr. Andreas Wagner als Ansprechpartner der rheinhessischen Weinbruderschaft Ausdruck verleihen, der das Projekt von Anfang an begleitet hat, mich in vielfältiger Hinsicht beriet und wertvolle Kontakte zu Expertinnen und Experten vermittelte.

Es gäbe eigentlich noch viele weitere Menschen zu nennen, doch würde das den Umfang einer Danksagung übersteigen. Falls Sie mich im Verlauf des letzten Jahres unterstützt haben, seien Sie sich bitte meines ehrlichen, persönlichen Dankes gewiss.

Urheberschaft

Autor: Simeon Guthier
Stand: 25.10.2022

Literatur

  • Bassermann-Jordan, Friedrich von: Geschichte des Weinbaus. Landau in der Pfalz, 1991.
  • Bronner, Johann Philipp: Der Weinbau in der Provinz Rheinhessen, im Nahetal und Moseltal. In: Der Weinbau in Süddeutschland. Hrsg. v. Johann Philipp Bronner. Heidelberg 1834.
  • Falk, Gebhard: Der Jenaer Weinbau. Untersuchungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte einer thüringischen Weinbauernstadt mit besonderer Berücksichtigung des 15. bis 17. Jahrhunderts. Erfurt 1955.
  • Flachenecker, Helmut: Weinkonsum und Weinhandel in Franken. In: Regionale Konsumgeschichte (2015).
  • Fouquet, Gerhard: Weinkonsum in gehobenen städtischen Privathaushalten des Spätmittelalters. In: Weinproduktion und Weinkonsum im Mittelalter. Hrsg. v. Michael Matheus. Stuttgart 2004 (Geschichtliche Landeskunde, Bd. 51), S. 133-179.
  • Heller, Marina: Handel und Konsum von Wein und Weinsorten in und aus Franken im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit. Der Wein- und Bierkeller der Plassenburg im Vergleich. In: Regionale Konsumgeschichte. Vom Mittelalter bis zur Moderne ; Referate der Tagung vom 26. bis 28. Februar 2014 im Bildungszentrum Kloster Banz. Hrsg. v. Susanne Bohn [u.a.]. [Erlangen], Stegaurach 2015, S. 139–158. (Franconia, Bd. 7).
  • Hirschfelder, Gunther: Alkoholkonsum am Beginn des Industriezeitalters (1700 - 1850). Vergleichende Studien zum gesellschaftlichen und kulturellen Wandel. Köln, 2004.
  • Mahlerwein, Gunter: Rheinhessen 1816 - 2016. Die Landschaft, die Menschen und die Vorgeschichte der Region seit dem 17. Jahrhundert. Mainz, 2015.
  • Matheus, Michael: Art. Weinbau, -handel. Allgemein. Mittel- und Westeuropa. In: Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, München, Zürich 1997, Sp. 2116-2123.
  • Matheus, Michael: Zu den Anfängen des rheinhessischen Weinbaus in Antike und Mittelalter. In: Weinkultur und Weingeschichte an Rhein, Nahe und Mosel. Hrsg. v. Michael Matheus. Stuttgart 2019, S. 27–48. (Mainzer Vorträge, Bd. Band 22).
  • Saalfeld, Diedrich: Wandlungen der bäuerlichen Konsumgewohnheiten vom Mittelalter zur Neuzeit. In: Essen und Trinken in Mittelalter und Neuzeit. Hrsg. v. Irmgard Bitsch [u.a.]. Sigmaringen 1990, S. 59–76.
  • Schäfer, Rudolf: Weinbau und Weinhandel in Kurmainz im 18. Jahrhundert. In: Festschrift Höchster Schloßfest 1981, S. 40–47.
  • Schätzel, Otto: Rheinhessen - Weinregion mit Tradition. In: Rheinhessen- Identität- Geschichte- Kultur. Vorträge zum 10. Alzeyer Kolloquium des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V. in Zusammenarbeit mit dem Altertumsverein für Alzey und Umgebung e.V. und der Arbeitsgemeinschafts Rheinhessische Heimatforscher e.V. sowie ergänzende Beiträge zur rheinhessischen Geschichte. Hrsg. v. Franz J. Felten [u.a.]. Stuttgart 2016 (Geschichtliche Landeskunde, Bd. 72), S. 93–100.
  • Schlamp, Jacob: Die Weinjahre des 19. Jahrhunderts. Nebst einem Anhange "Nierstein und das Weinbuch von W. Hamm". Wiesbaden, 1879.
  • Uytven, Raymond van: Der Geschmack am Wein im Mittelalter. In: Weinproduktion und Weinkonsum im Mittelalter. Hrsg. v. Michael Matheus. Stuttgart 2004. (Geschichtliche Landeskunde, Bd. 51), S. 119-132.
     

Anmerkungen:

  1.  Zu dieser Zahl existieren leicht schwankende Angaben in verschiedenen Statistiken. Der Autor folgt hier der Darstellung der Gebietsweinwerbung: Daten und Fakten. Rheinhessen in Zahlen. URL: https://www.rheinhessen.de/daten-und-fakten (Zugriff: 28.09.2022). Zurück
  2. Schlamp, Jacob, 1879, Vorwort. Zurück
  3. Das Steinrelief am Rathaus von Bretzenheim lautet „aelteste Urkunde ueber Weinbau in Rheinh. benennt bretzenh. wingert vom Jahre 753“ – korrekt ist jedoch 752; vgl. hierzu Matheus, Michael 2019, S. 29. Zurück
  4. Zu den bedeutendsten Weinbauorten gehörten damals im Oberamt Alzey die Orte Aspisheim, Dienheim, Hochheim (Worms), Selzen, Spiesheim und Westhofen, im Oberamt Oppenheim die Orte Nierstein, Ober-Ingelheim, Elsheim und Oppenheim selbst, sowie der Ingelheimer Grund. Spitzenstellung unter diesen Weinbauorten hatten Nierstein mit rund 14 Prozent sowie Ober-Ingelheim mit etwa 12,4 Prozent Rebflächenanteil gemessen an der gesamten Agrarfläche. Zur Einordnung: Im Gesamtdurchschnitt des Oberamts Alzey lag der Anteil der Rebfläche bei 3,3 Prozent der Agrarfläche, im Mainzer Umland bei 5,6 Prozent. Hinzu kamen Gärten, in denen auch Wein angebaut wurde; vgl. hierzu Mahlerwein, Gunter, 2015, S. 79–83. Zurück
  5. hierzu Mahlerwein, Gunter 2016, S. 32–33; Mahlerwein, Gunter, 2015, S. 82. Zurück
  6. Schäfer, Rudolf, S. 40. Zurück
  7. Uytven, Raymond van 2004, S. 119–123; Matheus, Michael, Sp. 2120. Zurück
  8. Heller, Marina 2015, S. 145–146; Falk, Gebhard, S. 128; Flachenecker, Helmut, S. 5–8; Bassermann-Jordan, Friedrich von, 1991, S. 841–846. Zurück
  9. Hirschfelder, Gunther, 2004, S. 220. Der Versuch einen Pro-Kopf-Verbrauch zu ermitteln, wurde von vielen Wirtschaftshistorikern angestellt, jedoch mit unterschiedlichen Ergebnissen je nach untersuchter Region und Epoche. Angaben um etwa einen Liter pro Tag finden sich für Weinregionen. Zu den Schwierigkeiten der Erfassung, sowie zu einzelnen Angaben vgl. Hirschfelder, Gunther, 2004, S. 219–227; Fouquet, Gerhard 2004, S. 164–165 und Saalfeld, Diedrich 1990, S. 75. Zurück

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