Wetter, Klima und der Wein
Von Messung bis Beeinflussung
Wetter und Klima haben einen großen Einfluss auf den Weinbau. Mit Wetter wird der aktuelle Zustand der Atmosphäre an einem Ort bezeichnet: Regen, Sonnenschein, Hagel usw. Unter dem Begriff Klima versteht man hingegen das durchschnittliche Wetter der letzten Jahrzehnte. Rheinhessen genießt das relativ geschützte Klima eines Beckens, umgeben vom Nordpfälzer Bergland, Hunsrück, Taunus und Odenwald. Es gilt als eine der Wärme- und Trockeninseln Deutschlands mit ausreichend Niederschlag und einer günstigen Jahresdurchschnittstemperatur von 10,5°C. [Anm. 1]
Bis in die Neuzeit hinein hatte das Wetter einen wesentlich größeren Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg der Ernte. [Anm. 2] Weinberge waren häufig in Teilabgabesysteme eingebunden und die Winzerinnen und Winzer durften nicht früh oder spät lesen, sondern jedes Jahr exakt zum herrschaftlich vorgegebenen Zeitpunkt – auch alle anderen Arbeiten waren kalendarisch genau vorgegeben. [Anm. 3] Das gleichzeitige Lesen in einem Ort war auch im Kontext der Schädlingsabwehr relevant. Nicht zuletzt musste die Pacht in Naturalien zu einem festen Zeitpunkt bezahlt werden. [Anm. 4] In alten Bauernregeln finden sich noch Hinweise auf diese durch den Heiligenkalender geprägte Arbeitsordnung: „Maria Lichtmeß – Spinnen vergeß! Spinnrad hinter die Tür, Rebmesser dafür!“, [Anm. 5] oder „Johannis Enthaupt, schneidt man das Laub“. [Anm. 6] Heute sind die meisten Weinbaubetriebe alleiniger Entscheider über die eigene Betriebsfläche und können die Trauben bis zur Reife hängen lassen. Die bessere Vorbereitung durch Wetterdienste und teilweise sogar die direkte Beeinflussung des Wetters (Hagelabwehrmaßnahmen) sind für den Weinbau bedeutende Errungenschaften des 19. und 20. Jahrhunderts. Dennoch bleibt ein Risiko.
Die Geschichte der Klimamessung und -überlieferung beginnt im 17. Jahrhundert mit ersten individuell geprägten Instrumentenmessungen. [Anm. 7] Ältere Klimadaten lassen sich mithilfe schriftlicher Überlieferungen rekonstruieren, beispielsweise aus Ernteerträgen, die in Rechnungen dokumentiert wurden. [Anm. 8] Eine besondere Quellengattung stellen die sogenannten „Weinchroniken“ dar. Vor dem Hintergrund der unmittelbaren Abhängigkeit des Weinbaus von Wetter und Klima begannen Winzer schon sehr früh, Weinertrag und Weingüte schriftlich festzuhalten. [Anm. 9]
Die „Kleine Eiszeit“
Für die Geschichte des Weinbaus ist vor allem die sogenannte „Kleine Eiszeit“ von großer Bedeutung. Damit bezeichnet man eine Periode relativ kühlen Klimas in Europa ab dem 15. Jahrhundert mit Ausläufern teilweise bis ins 19. Jahrhundert, welche das warme, spätmittelalterliche „Klimaoptimum“ ablöste. Zwischen etwa 1680 und 1700 herrschte besonders eisige Kälte (das sogenannte „Maunder-Minimum“). Als häufige Ursache werden vulkanische Aktivitäten vermutet, die zu einer verminderten Sonneneinstrahlung führten, während gleichzeitig die Sonne eine reduzierte Fleckenaktivität aufwies: Flüsse erstarrten, Rebstöcke erfroren. Die wenigen überlebenden Weingärten, die in kalten Wintern überlebten, mussten mit nassen Sommern kämpfen. Viele der in den zahlreichen Kriegen dieser Epoche zunichtegemachten Rebanlagen wurden nicht wiederaufgebaut. Der Weinbau in Norddeutschland und Nordeuropa kam vollständig zum Erliegen und als Alltagsgetränk wurde Wein in zahlreichen Regionen weitgehend von Bier abgelöst. [Anm. 10]
Die zweite Seite dieser Chronik finden Sie hier in der Quellensammlung.
Urheberschaft
Autor: Simeon Guthier
Stand: 25.10.2022
Literatur
- Bab, Bettina: Leserinnen und Winzerinnen. Frauenarbeit im Weinbau. In: "Romantik, Reisen, Realitäten. Frauenleben am Rhein". [erscheint zur Ausstellung "Romantik, Reisen, Realitäten. Frauenleben am Rhein", vom 1. September bis 31. Dezember 2002 im FrauenMuseum Bonn]. Bonn 2002 (Rheinreise 2002), S. 106–109.
- Bronner, Johann Philipp: Der Weinbau in der Provinz Rheinhessen, im Nahetal und Moseltal. In: Der Weinbau in Süddeutschland. Hrsg. v. Johann Philipp Bronner. Heidelberg 1834.
- Glaser, Rüdiger: Klimageschichte Mitteleuropas. 1200 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen. Darmstadt, 3. Auflage, 2013.
- Koch, Hans-Jörg: Rheinhessen - Weinhessen. Skizzen aus 2000 Jahren. Vortrag auf der Veranstaltung der Gesellschaft für Geschichte des Weines am 25. Main 1968 in Oppenheim. Wiesbaden 1969 (Schriften zur Weingeschichte, Bd. 19).
- Koch, Hans-Jörg: Rheinhessisches Weinlexikon. [Mainz] 1995.
- Krämer, Christine: Rebsorten in Württemberg. Herkunft Einführung Verbreitung und die Qualität der Weine vom Spätmittelalter bis ins 19. Jahrhundert, 2006 (Tübinger Bausteine zur Landesgeschichte, Bd. 7).
- Lauer, Wilhelm/Frankenberg, Peter: Wein und Witterung in der Rheinpfalz und im Rheingau seit Mitte des 16. Jahrhunderts.
- Lauer, Wilhelm/Frankenberg, Peter: Zur Rekonstruktion des Klimas im Bereich der Rheinpfalz seit Mitte des 16. Jahrhunderts mit Hilfe von Zeitreihen der Weinqualität. Stuttgart [u.a.], 1986 (Paläoklimaforschung, Bd. 2).
- Matheus, Michael/Matheus, Ricarda: "Je älter der Rheinwein wird, je mehr Firne bekömmt er, welches dem Kenner am meisten gefällt": Beobachtungen zum Geschmackswandel im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. In: Mainzer Zeitschrift. mittelrheinisches Jahrbuch für Archäologie, Kunst und Geschichte, Bd. 96/97 (2002) (2002), S. 73–85.
- Pauly, Michel: Weinhandel und Weinkonsum. Luxemburg im späten Mittelalter. Luxembourg, 1994 (Publications de la Section Historique de l'Institut Grand-Ducal, Bd. 109).
- Pfister, Christian: Das Klima der Schweiz von 1525-1860 und seine Bedeutung in der Geschichte von Bevölkerung und Landwirtschaft. Erster Teil: Die Rekonstruktion der Witterungs- und Klimaverhältnisse, 1985.
- Prößler, Berthold: Mayen als Weinstadt im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. In: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte, Bd. 35 (2009) (2009), S. 203–213.
- Schlamp, Jacob: Die Weinjahre des 19. Jahrhunderts. Nebst einem Anhange "Nierstein und das Weinbuch von W. Hamm". Wiesbaden 1879.
- Schlamp, Jacob: Familiengeschichte Schlamp. Lebensbeschreibung von Jacob Schlamp. Nierstein 2. Aufl., 1886 (2011).
- Struck, Wolf-Heino: Sozialgeschichte des Rheingaus im 17. und 18. Jahrhundert. In: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte. Hrsg. v. 1965, [109]-161, Bd. 15).
- Uytven, Raymond van: Der Geschmack am Wein im Mittelalter. In: Weinproduktion und Weinkonsum im Mittelalter. Hrsg. v. Michael Matheus. Stuttgart 2004 (Geschichtliche Landeskunde, Bd. 51).
- Volk, Otto: Saisonale Aspekte im spätmittelalterlichen Weinbau. In: Rhythmus und Saisonalität. Kongreßakten des 5. Symposions des Mediävistenverbandes in Göttingen 1993 (1995), S. 117–134.
- Weber, Andreas Otto: Weinbau, Weinhandel und Weinkonsum diesseits und jenseits der Alpen in Mittelalter und Früher Neuzeit. In: Schwaben und Italien (2010), S. 133–152.